Nord
Norwegen 2009, Laufzeit: 78 Min., FSK 12
Regie: Rune Denstad Langlo
Darsteller: Anders Baasmo Christiansen, Kyrre Hellum, Marte Aunemo
Tragikomisches, nordisches Roadmovie mit Seele
Einsamer trifft Einsame
„Nord“ von Rune Denstad Langlo
„Entweder du stehst jetzt auf oder ich gehe!“, sagte ihm dereinst seine Freundin. Sie ging – und Jomar Henriksen (Anders Baasmo Christiansen) ist seitdem erst recht nicht mehr hoch gekommen. Jetzt sitzt er festgefroren als Liftwärter im „Ski-Paradies“ irgendwo im verschneiten Nirgendwo Norwegens. Jomar ist Alkoholiker und depressiv. Die Therapie greift nicht, der Job fordert nicht, und kommt es mal zum handgreiflichen Streit mit einem Nebenbuhler, löst sich das Ganze in promillehaltigem Wohlgefallen auf. Als Jomar von seinem Sohn im Norden erfährt, steht der verlorene Loner auf und macht sich mit dem Schneemobil auf den Weg –reichlich Alkohol im Gepäck. Schneeblindheit, ein vereinsamtes Kind, ein verkappter Schwulenhasser mit fragwürdigen Trinkgewohnheiten, Soldaten im Manöver und ein alter Mann, der auf einem zugefrorenen See haust sind Erfahrungen und Begegnungen, die Jomar auf seinem Weg begleiten. Dabei hinterlässt er auch mal Spuren der Zerstörung. Wohl aber auch Nachdenklichkeit und Hoffnung – nicht nur für sich selbst.
Schnee, Melancholie, Einsamkeit, Schnee, Schnaps, eine Irrfahrt und noch mehr Schnee – auf den ersten Blick bedient „Nord“ alle Klischees des skandinavischen Kinos. Mit Witz, Wärme und wundervollen Bildern begleitet der norwegische Dokumentarfilmer Rune Denstad Langlo seinen Helden durch die Kälte und konfrontiert ihn dabei mit so manchen skurrilen Typen und Situationen. Doch sein Jomar ist nicht nur ein sympathischer nordischer Verlierer, den sein Regisseur durch die skurrilsten Stationen treibt und dabei Alkoholismus romantisch verklärt. Langlos Held schaut nicht nur mit verwässertem Blick sehnsuchtsvoll in die Ferne, er leidet: Jomar ist depressiv, hat Panikattacken und verliert Tränen, wenn er trinkt. Jomar ist krank. Ein verzweifelter Mann, der sich in die Einsamkeit zurückzieht und darin verkümmert. Und dessen Apathie vorläufig Schlimmeres verhindern. Erst seine Ungeschicktheit provoziert den nötigen Impuls, der Lomar dazu zwingt, sich auf den Weg zu machen. Einsamkeit vereint sämtliche Figuren, denen er dabei begegnet. Menschen, die ihn trotz spürbarem Misstrauen aufnehmen, ihn beherbergen, pflegen und mit Alkohol versorgen. Einsame, die ihre Einsamkeit lieben und verteidigen - und Zweisamkeit suchen.
Das Tempo des Films orientiert sich an der Langsamkeit seines Helden. Langlo unterlegt seinen Film musikalisch trefflich mit flink gezupften Gitarren und Banjos, die eher an ein sonniges Texas erinnern als an das nördliche Europa - und smart die Reise durch das ewige Weiß konterkarieren. Der Regisseur zeigt sich mit seinem Debütspielfilm in vielerlei Hinsicht gewitzt und unverbraucht. Ein Film über einen Mann, der sich auf den Weg macht, Schnaps sucht und eine Zukunft findet. Ein Klischeefilm - und mehr.
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