Quellen des Lebens – Eine deutsche Familiengeschichte
D 2013, Laufzeit: 174 Min., FSK 12
Regie: Oskar Roehler
Darsteller: Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Lavinia Wilson, Meret Becker, Sonja Kirchberger, Margarita Broich
>> www.quellendeslebens.x-verleih.de
Skurriles Familienepos
Wenn aus Clowns Menschen werden
„Quellen des Lebens“ von Oskar Roehler
Dies ist die Geschichte von Robert Freytag. Die Geschichte seines Großvaters (Jürgen Vogel), der 1949 verwahrlost und emotional ausgezehrt aus der Kriegsgefangenschaft zu seiner entliebten Gattin (Meret Becker) heimkehrt und eine Gartenzwerg-Fabrik aufbaut. Die Geschichte von Roberts Eltern (Moritz Bleibtreu, Lavinia Wilson): er ein Literat mit Versagensängsten, sie eine verklärte Wohlstandskommunistin. Die Geschichte der anderen Großeltern (Margarita Broich, Thomas Heinze), zwei durchgeknallten Wirtschaftswunder-Gewinnern. Robert wächst im Nachkriegsdeutschland zwischen verloren-verzweifelten Erwachsenen auf, die sich zwanghaft entlanghangeln an ehernen Werten und Tugenden, die eine Zukunft suchen und arbeiten, um zu vergessen. Robert, dem schon bald die Mutter davonläuft und dessen Vater überfordert ist von allem, erlebt während der Kindheit in den 60er Jahren Tristesse und Verwahrlosung beim Vater in Berlin, Subproletariat bei den einen und bürgerliche Etikette bei den anderen Großeltern, bis er in ländlicher Idylle eine Idee von Glück und Zweisamkeit erfährt – und von der ersten Liebe.
Die Mär von Robert Freytag beruht auf der Lebensgeschichte von Oskar Roehler, die der Regisseur bereits vorab in seinem autobiografischen Roman „Herkunft“ verarbeitet hat. Und da Roehler von drei Generationen erzählt, bietet sein Drama neben den emotionalen Berg- und Talfahrten seiner Protagonisten auch Einblicke in knapp vierzig Jahre Nachkriegsdeutschland, in Befindlichkeiten, Parolen, Ängste, in Biederkeit und Deutschtum. Und da auch dieses Projekt gemeinsam mit der einen oder anderen Fernsehsendeanstalt produziert wurde, hätte daraus ein routinierter TV-Zweiteiler werden können, uninspiriert trivial, ein satt bebildertes, episches Kuschelmelodram mit Heino Ferch und Veronika Ferres in den Hauptrollen.
Zum Glück aber ist dies ein Oskar Roehler-Film. Der hatte sich zuletzt mit „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ noch recht holprig zwischen Satire und Drama bewegt. Mit „Quellen des Lebens“ erschließt sich dieser Spagat nun überzeugend: Roehler spinnt eine Farce, gefüllt mit überzeichneten Typen, sympathisch eigenwillig bis schnoddrig inszeniert, gerahmt in ein überkünsteltes Zeitkolorit, von dem bereits 2009 seine in Neonfarben getauchte „Wild at Heart“-Adaption „Lulu & Jimi“ zeugte. Fern von Ferch und Ferres stemmt Roehler eine abstrakte Autobiografie voller Typen, Zitate und bundesdeutscher Befindlichkeit, mit Mut zu Stil, Makel und Sprunghaftigkeit. Mit Bitterkeit und Irrwitz legt er das Deutschtum offen, entlarvt schrill und nähert sich dem Kern wie einst Loriot über die Posse. Man mag irgendwann befürchten, die Farce sei zu sehr Farce, um zu berühren. Doch auch das gelingt dem Epos noch, wenn Roehler von der ersten Liebe erzählt und von der Sehnsucht nach dauerhaftem Glück. Und wenn aus Clowns am Ende Menschen werden.
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