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Scherbentanz
Deutschland 2002, Laufzeit: 95 Min.
Regie: Chris Kraus
Darsteller: Jürgen Vogel, Peter Davor, Nadja Uhl, Margit Carstensen, Dietrich Hollinderbäumer, David Schwarzenthal, Daniel Veigel, Monika Hirschle

Gab es das schon einmal, dass ein Autor einen Roman schreibt, gleichzeitig das Drehbuch für den Film entwirft und direkt sein eigenes Buch als Regie-Debütant verfilmt? Jetzt gibt es das jedenfalls! Chris Kraus hat seinen im Frühjahr diesen Jahres erschienenen Roman Scherbentanz mit so namhaften Schauspielern wie Jürgen Vogel, Nadja Uhl und Margit Carstensen (in einer Rolle, in der die grandiose ’Fassbinder-Ikone¹ kaum wiederzuerkennen ist) gleich selber verfilmt ­ damit nichts schief geht! Entstanden ist dabei nicht einer jener lauten, effektbeladenen neuen deutschen Filme, sondern ein Familiendrama, das in Ambiente und Haltung an Böll¹sche Nachkriegsszenarien erinnert: Eine großbürgerliche Familie, in der sich nichts mehr regt, vor lauter Angst, man könnte durch die Luftbewegung die Geschichte aufwehen. Dies geschieht jedoch mit allen denkbaren Konsequenzen, als man im Rahmen eines großen Familienfestes wegen der tödlichen Leukämiekrankung des jüngeren Sohnes Jesko, einem zynisch gewordenen Modedesigner, die jahrzehntelang verschollene Mutter als Knochenmarkspenderin aufspürt. Durch die Anwesenheit der inzwischen obdachlosen, geistig verwirrten Alkoholikerin bricht die Vergangenheit schmerzhaft über die Familie herein. "An den Schmerzen erkennst Du, ob Du zu Hause bist..." sagt Jesko. Es folgt tatsächlich eine schmerzhafte Entdeckung nach der anderen, bis am Ende auch gar nichts mehr von einem intakten Familienbild übrig geblieben ist. Der Film zelebriert den Zerfall einer Familie im Milieu mittelständischen Unternehmertums bei Dauerregen solange, bis an Stelle der Fassaden nur noch die leidenden Seelen umhertaumeln ­ aber endlich mit der Möglichkeit sich zu Bewegen, dem ängstlichen Stillstand zu entkommen. Kraus kann sich auf die hervorragende schauspielerische Leistung seiner Hauptdarsteller, allen voran Jürgen Vogel und natürlich Margit Carstensen im Powerplay emotionaler Extremsituationen, stützen und liefert einen Film ab, der gar nicht debütantisch, sondern eher wie ein gereiftes Alterswerk wirkt. Was soll danach kommen?

(Christian Meyer)

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