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The Florida Project

The Florida Project
USA 2017, Laufzeit: 111 Min., FSK 12
Regie: Sean Baker
Darsteller: Brooklynn Prince, Bria Vinaite, Willem Dafoe
>> the-florida-project.de

Filmische Feier kindlicher Leichtigkeit

Auf Augenhöhe
The Florida Project“ von Sean Baker

Moonee ist sechs Jahre alt, und sie freut sich auf einen langen heißen Sommer in Florida, direkt neben Disney World. Doch was für so viele Mädchen in ihrem Alter wie ein super Urlaub mit der Familie klingt, ist für Moonee Alltag. Sie lebt zusammen mit ihrer 22- jährigen, alleinerziehenden Mutter Halley am Highway 192 in einem Motel. Dort reiht sich eines dieser bunt angepinselten Motels an das nächste. Einst stiegen hier die Touristen für einen Besuch in Disney World ab, doch inzwischen sind die meisten dieser Häuser billige Absteigen für die Vergessenen der Gesellschaft geworden. „The Magic Castle Motel“ heißt Moonees Zuhause verheißungsvoll. Mit ihrer Mutter, die selber noch recht kindlich und entsprechend wenig verantwortungsvoll ist, bewohnt sie ein Ein-Zimmer-Appartement. Ihr bester Kumpel Scooty, Sohn von Halleys bester Freundin Ashley, wohnt ein Stockwerk darunter. Gemeinsam streunen sie mit anderen auf sich gestellten Kids durch die Peripherie aus Hotels, Fast-Food-Schuppen, riesigen Parkplätzen und Brachland. Dazwischen – wie ein großer Fluss – der mehrspurige Highway. Für Mooney und ihre Freunde gleicht die Gegend einem Abenteuerspielplatz voller Verheißungen. Während Halley versucht, mit mehr oder weniger illegalen Tricks das Geld fürs Leben aufzutreiben, ist die kecke Moonee auch nicht verlegen, wenn es darum geht, den Erwachsenen einen Streich zu spielen oder sich auf andere Art einen schönen Tag zu machen.

Nach seinen Filmen „Starlet“ über die Freundschaft zwischen einer jungen Prostituierten und einer alten Dame und dem komplett mit einem iPhone gedrehten „Tangerine L.A.“ über eine Transsexuelle auf dem Straßenstrich in L.A. liefert Sean Baker abermals ein Porträt vom Rand der Gesellschaft. Das faszinierende an Bakers Arbeit ist, dass er zum einen seine Spielfilme mit größtem Respekt vor seinen Protagonisten inszeniert, zum anderen einen ganz eigenen poetischen Realismus pflegt. Das geht so gut zusammen, weil Baker meist mit Laiendarstellern dreht, die zwar nicht sich selbst spielen, aber einen deutlichen Bezug zu ihren Figuren haben. Ein wenig erinnert er damit an die Filme von Larry Clark oder Harmonie Korine, nur dass Baker seine Figuren mit fast märchenhaftem Verve stets vor dem Schlimmsten bewahrt, ohne ihre Situation zu verklären. Darin erinnert er wiederum an einen Film wie „Kid-Thing“ von David Zellner, der ein Mädchen in desolaten sozialen Zuständen zeigt, ihre Wüstenei aber als freudvolle Selbstbehauptung feiert. Das funktioniert in „Kid-Thing“ nur so gut, weil die junge Hauptdarstellerin mehr spielt, als spielen spielt.  

Auch Sean Baker kann sich in „The Florida Projekt“ ganz auf seine charismatische, kleine Protagonistin und ihre Freunde verlassen. Sie sind das Zentrum des Films: Wir sehen sie mit ihrer Bande Eis schnorren, in Bauruinen einer kindlichen Zerstörungswut freien Lauf lassen, Autos bespucken oder den Strom im Motel kappen. Überhaupt ist vor allem das Motel mit seinem Manager Bobby Ziel ihrer Streiche. Doch Bobby hat eine bewundernswerte Nachsicht mit den Kids, und als sich parallel zum ungetrübten Spiel der Kids die Erwachsenenwelt, vor allem die Welt von Moonees Mutter Halley, zunehmend verdunkelt, tritt er auch hier eher wie ein geduldiger Sozialarbeiter auf. Willem Dafoe (Oscar-nominiert und gerade auf der Berlinale mit dem Ehrenbären für sein Lebenswerk ausgezeichnet) in der Rolle des Bobby ist die einzige Figur des Films, die von einem professionellen Schauspieler gefüllt wird.

Brooklynn Prince, die Darstellerin von Moonee, hat Baker ganz in der Nähe des Drehorts mit ihrer Mutter in einem Geschäft entdeckt, die Halley-Darstellerin Bria Vinaite hat er über ihr Instagram-Profil gefunden. Diese fast dokumentarische Nähe zum Sujet verleiht „The Florida Projekt“ seine Kraft und authentische Wirkung. Ausgangspunkt für den Film war die Stummfilmreihe „Die kleinen Strolche“. Hal Roachs im Original als „Our Gang“ bekannte Kurzfilmreihe wurde zwischen 1922 und 1944 produziert und war eine der ersten Produktionen, die Kinder in realistischem Kontext als Hauptfiguren behandelte. Auch hier stemmen sich die Kinder mit erfindungsreicher Energie und Lebensfreude gegen die schwierige Lebenssituation der Erwachsenen. Wie „Die kleinen Strolche“ ist „The Florida Project“ trotz aller unterschwelligen Probleme, die abgebildet werden, ein optimistischer Film, der Kinder Kinder sein lässt.

(Christian Meyer-Pröpstl)

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