Top Gun: Maverick
USA 2022, Laufzeit: 131 Min., FSK 12
Regie: Joseph Kosinski
Darsteller: Tom Cruise, Miles Teller, Jennifer Connelly
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Nostalgischer Highclass-Actioner
Don’t think!
„Top Gun: Maverick“ von Joseph Kosinski
Unfassbar: Gleich zu Beginn fliegt uns direkt das musikalische Thema von einst um die Ohren, diese unsäglich profane, hohldudelnde E-Gitarren-Melodei von Faltermeyer & Moroder. Bei der Fortsetzung von „Top Gun“ (1986) steht Harold „Axel F.“ Faltermeyer (ja, er lebt noch!) nun Hans Zimmer zur Seite, und die Komponisten suhlen sich im Hohlgedudel. Der Zuschauer gleich zu Beginn und überhaupt grundsätzlich die Wahl: Versinke ich vor Fassungslosigkeit, Fremdscham und Empörung im Kinosessel – oder gebe ich mich der pathetischen Nostalgieduselei hin und lasse meine jugendliche Begeisterung von einst mit dem ironischen Blick von heute genüsslich zusammenfließen? Der Autor entscheidet sich für Letzteres und wird belohnt.
Aber zurück zum Anfang: Maverick (Tom Cruise) schraubt im Hangar in der Mojave-Wüste an einem Flugzeug, an der Wand die Fotogalerie mit den Kameraden von einst. Der Held von einst zieht die Lederjacke an und düst mit seiner Kawasaki zum Stützpunkt. Nach einer sportlichen Übung zu Luft mit äußerst witzigem Finish, eröffnet ihm sein alter Admiral (Ed Harris), dass Maverick als Ausbilder ein Team für einen brandgefährlichen Einsatz trainieren soll. Zwölf Absolventen streben fortan die Top 6-Staffel an, die den Einsatz fliegt. Unter ihnen: Rooster (Miles Teller), Sohn von Goose, den Maverick damals beim Flugeinsatz verloren hat. Die Schuldgefühle plagen ihn noch immer – die Möglichkeit, jetzt auch noch den Sohn unter seiner Verantwortung in den Tod zu schicken, trägt den Konflikt ins Jetzt und Heute. Für Handlung und Emotion ist also gesorgt in dieser Nostalgie- und Pathos-Orgie. Und eine Frau gibt es natürlich auch noch: Penny (Jennifer Connelly), Betreiberin einer Bar, Ex-Freundin Mavericks und Mutter einer Teenietochter, die Maverick direkt verklickert: „Don’t break her heart again!“
Kurzum: Ging das Original noch als spektakuläre, aber hohle Dauerwerbesendung für’s US-Militär durch, liefert Co-Produzent Cruise unter Federführung von Joseph Kosinski, der auch seine nächsten „Mission Impossible“-Missionen verantwortet, ein zeitgemäßes Highclass-Actionabenteuer. Nahm sich „Top Gun“ noch zu ernst, liefert „Maverick“ Augenzwinkern am laufenden Band (Drehbuch u.a. Christopher McQuarrie, „Die üblichen Verdächtigen“, „Jack Reacher“). Neben seinem guten Witz vermag das Ding auch zu berühren und der Spannungsbogen hält alles knackig zusammen. Und wer kein „Top Gun“-Fan ist, wird spätestens im letzten Drittel abgeholt, wenn es in den Einsatz geht. Wenn dann die Jets im Zielanflug durch den Canyon zum einzigen verletzlichen Punkt des Gegners düsen, wenn sie, „Don’t think!“, auf die Macht des Instinkts hören sollen, wenn das finale Ziel der singuläre, gezielte Schuss in den Kern des Feindsystems darstellt – dann wägt man sich fast auf dem Todesstern. Aber warum soll „Top Gun“ auch bloß sich selbst zitieren?
Apropos: Die Fortsetzung macht all das richtig, was man bei „Star Wars“ VII bis IX richtig gemacht hat: Die gleiche Geschichte mit ironischem Verweis noch einmal erzählen, liebevoll alle Klischees bedienen, beherzt Look und Sound zitieren, sprich: Das zeigen, was der Fan kennt. Mutig ist das nicht. Aber es gut und richtig. Weil es funktioniert.
Angenehm fällt auf, dass das US-Militär zwar auch hier abgefeiert wird, aber weniger stumpf. Vielleicht, weil gefühlt weniger US-Flaggen durch Bild flattern. Vermutlich, weil Propaganda heute subtiler funktioniert. Wahrscheinlich, weil hier alles ironischer angelegt ist. Wenn hier die Kampfpilot(!)innen ihre Jets akrobatisch durch die Wolken jagen, dann schürt das lustvoll Euphorie. Dann fährt man Achterbahn. Im Kino. Zu den Filmfestspielen in Cannes wird „Top Gun: Maverick“ im Himmel über dem Kino mit einer farbsprühenden Fliegerstaffel abgefeiert. Das stößt einigen auf – aus gutem Grund. Fliegerstaffeln triggern hier draußen zurzeit Gedanken an grausiges Weltgeschehen und Propaganda, die das Militär glorifiziert. Sitzt man dann aber im Kinosaal, ist alles nur noch Popcorn. Es sei denn, man versinkt vor Fassungslosigkeit, Fremdscham und Empörung. Für alle anderen ist „Top Gun: Maverick“ Unschuld in Popcorn. Kino darf sowas. Kino muss sowas. Kino kann sowas. Don’t think!
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