Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung
Deutschland 2015, Laufzeit: 88 Min., FSK 0
Regie: Anna Ditges
>> www.wemgehoertdiestadt-derfilm.de
Beschwingter Dokumentarfilm über moderne Stadtplanung unter Bürgerbeteiligung
Veedelexperten
„Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ von Anna Ditges
Interview mit der Regisseurin Anna Ditges
Vier Jahre lang begleitete die Dokumentarfilmerin Anna Ditges das Kölner Veedel Ehrenfeld im Umbau. Auf dem Helios-Gelände, einem ehemaligen Industrieareal rund um die Kultur- und Szenelocation Underground, soll eine Einkaufs-Mall entstehen. Das zumindest plant der Bauherr Paul Bauwens-Adenauer. Doch der hat die Rechnung ohne die Anwohner gemacht. Als die davon Wind bekommen, gründen sie eine Bürgerinitiative und treten den Plänen engagiert entgegen. Anna Ditges begleitet diese Auseinandersetzung mit der Kamera, nähert sich dabei allen Beteiligten, von den Mitgliedern der Bürgerinitiative und den Bauherren über die Anwohner und Beamten des Stadtplanungsamtes bis hin zum Bezirksbürgermeister Josef Wirges.
„Wem gehört die Stadt – Bürger in Bewegung“ ist in vielerlei Hinsicht ein relevanter Dokumentarfilm. Zum einen, weil er das Phänomen „Bürgerinitiative“ grundsätzlich beleuchtet. Bürgerbewegungen in dieser Form sind ein wachsendes Phänomen unserer Zeit. Der Städter, der Anwohner sieht seine Rechte und Pflichten heutzutage nicht mehr nur an der Wahlurne erfüllt. Er fordert mehr, und er ist bereit, sich dafür zu engagieren. „Die Stadt ist auch mein Schlaf- und Wohnzimmer“, meint Almut Skriver. Folglich will sie diesen Raum auch mitgestalten. Almut Skriver ist nicht nur Mitglied der Bürgerinitiative, sie ist auch Architektin und bietet ehrenamtlich ihre Kompetenz an bei der Umsetzung ihres Anliegens. Auch das zeigt der Film: Bürgerbewegungen setzen sich nicht zwingend aus emotional aufgebrachten Wutbürgern zusammen, die aus purem Eigennutz handeln und deren Aufopferungsbereitschaft sich auf Protestmärsche und das Gestalten von Bannern reduziert. Die Bürger aus Ehrenfeld betrachten sich vielmehr als mündige Bürger und sehen sich damit in der Pflicht, konstruktiv und reflektiert an Lösungen zu arbeiten. Es reicht nicht, bloß dagegen zu sein. Arbeitsgruppen werden gebildet, Ideen gesammelt und daraufhin hinterfragt, inwieweit sie realisierbar sind. Herzblut muss einher gehen mit Wirtschaftlichkeit. Damit erscheinen die vereinten Anwohner mitunter gar kompetenter als so manche politischen Entscheider, die derlei Sachverhalte nach Feierabend ehrenamtlich abarbeiten.
Ein Film, der Zeugnis ablegt von einer beeindruckenden, engagierten, geordneten Mobilmachung. Und der Einblicke gibt in die politischen Strukturen von zeitgenössischer Stadtplanung im Allgemeinen. Und davon, wie ein später, neuer Impuls dem Gesamtprozess eine völlig neue Richtung geben kann. So weicht die Kulturinitiative am Ende einer inklusiven Universitätsschule. Die zugleich aber offen ist für neuartige gestalterische und strukturelle Elemente. Natürlich bleibt bei diversen Beteiligten Frust zurück, nicht alle Interessen können berücksichtigt werden. Es geht bei der Bürgerbeteiligung, so ein Mitarbeiter des Stadtplanungsamts, um Mitentscheidung und darum, Konflikte zu mindern. Beseitigen kann man sie nicht alle, Kompromisse müssen her.
Nach ihrer wundervoll intimen Annäherung an Hilde Domin („Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin“) liefert Anna Ditges nun ebenso leichthändig, aber mit angebrachter journalistischen Distanz ein wertvolles Zeitdokument, das auch noch rückwirkend nach Abschluss der Bauarbeiten auf dem Helios-Gelände von Wert sein wird. Und wie das alles nach Dreh-Ende weiter geht auf dem Gelände, erfährt man unter: www.buergerinitiative-helios.de
(Hartmut Ernst)
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