Winterreise (2006)
Deutschland 2006, Laufzeit: 99 Min., FSK 12
Regie: Hans Steinbichler
Darsteller: Josef Bierbichler, Sibel Kekilli, Hanna Schygulla, Philipp Hochmair, Anna Schudt, André Hennicke, Stephan Bissmeier, Johann von Bülow, Brigitte Hobmeier, Klaus Manchen, Aloysius Itoka, Torben Liebrecht, Stefan Merki
Ein bajuwarischer Eisenwarenhändler steht kurz vor der Insolvenz und verfällt zunehmend in Depressionen, zumal sein Vater einst nach einer Pleite Selbstmord beging und seiner Frau der Verlust des Augenlichtes droht. In höchster Not startet er eine dubiose Geldschiebeaktion in Kenia ...Nach seinem viel beachteten Spielfilm-Debüt "Hierankl" inszenierte Regisseur und Drehbuchautor Hans Steinbichler wieder einen 'modernen' Heimatfilm, dessen "Winterreise" aber nicht die Fahrt nach Afrika meint, sondern eine Reise in die Psyche seines Protagonisten, die ähnlich wie Franz Schuberts gleichnamiger, Titel gebender Liedzyklus von der Einsamkeit des Menschen bis an die Grenze zum Wahnsinn erzählt. Steinbichler hat diese innerlich zerrissene Figur Josef Bierbichler ganz auf den Leib geschrieben. Bierbichler macht daraus jene unverwechselbare Mischung aus bayrischem Komödienstadel und Brechtscher Verfremdung, die den Zuschauer sowohl berührt wie auch auf Distanz hält. Steinbichlers Konzentration auf seinen omnipräsenten Hauptdarsteller läuft mitunter Gefahr, den anderen Figuren die Luft zum Atmen zu nehmen. Das tut Bierbichler nicht nur als Leinwand sprengender Schauspieler sondern auch als Eisenwarenhändler Franz Brenniger, der seine erwachsenen Kinder allesamt für Versager hält und auch mit allen anderen umspringt, als seien sie deppert. Und wenn er dann mit seiner Dolmetscherin Leyla verzweifelt durch Nairobi poltert, bekommt man fast ein wenig Mitleid mit dem grantelnden Choleriker. Warum Steinbichler zwischendurch Brenninger laut gestikulierend Indie-Rock hören und Falsett singen lässt und dem Zuschauer die Figur somit wieder entreißt, bleibt ebenso sein Geheimnis wie der allzu esoterische Schluss. Leider gestattet es das Drehbuch nur der großartigen Anna Staudt, als Tochter Paula schauspielerisch dagegenzuhalten. Hanna Schygulla kommt als Brennigers Ehefrau über das Stichwortgeben nicht hinaus. Auch Sibel Kekilli kann als Leyla nicht zeigen, dass sie sich zu einer ernstzunehmenden Schauspielerin entwickelt hat. Diese Unentschiedenheit in der Entwicklung der Charaktere machen Steinbichler, seine Kamerafrau Bella Halben und sein polnischer Komponist Antoni Lazarkiewicz, mit denen er schon in "Hierankl" zusammenarbeitete, aber mit einem bildästhetischen und musikalischen Konzept wieder wett, das auf poetische Weise Sehnsucht und Wirklichkeit miteinander verbindet.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
Die leisen und die großen Töne
Start: 26.12.2024
Die Saat des heiligen Feigenbaums
Start: 26.12.2024
Nosferatu – Der Untote
Start: 2.1.2025
Queer
Start: 9.1.2025
September 5
Start: 9.1.2025
We Live In Time
Start: 9.1.2025
Armand
Start: 16.1.2025