Ein wildes Leben, das das anderer Leute in den Schatten stellt oder zerstört – so beschreibt dieser Roman das Wirken des italienischen Afrikaforschers Vittorio Bottego (1860-1897). Der Erzähler ist ein Zeitgenosse und pensionierter Präsident der Geographischen Gesellschaft Italiens, in deren Auftrag Bottego mehrfach unterwegs war. In erster Linie geht es ihm um Bottegos Rolle in den kolonialistischen Bestrebungen Italiens Ende des 19. Jahrhunderts. Politik ist nicht Bottegos Hauptanliegen, aber er nutzt die Gunst der Stunde und integriert entsprechende Ziele in Expeditionen – die Versorgung des Landes mit „menschlichem Kapital“ etwa käme ihm gelegen. Wechselnde politische Stimmungen erschweren seine Finanzierungsbemühungen immer wieder, doch seine Entschiedenheit führt ihn stets aufs Neue nach Afrika, entschlossen, eher zu sterben als umzukehren. In Italien fühlt Bottego sich eingepfercht, empfindet Leere, ist einer von vielen Weißen. Bei den Expeditionen wird er zum Gott, der jegliche Befugnisse hat. So verhängt er für Desertion die Todesstrafe, ist doch Desertieren ein großer Faktor für das Scheitern einer Expedition.
Der lakonische Ton des Erzählers steht im Kontrast zu solcher Brutalität und den verübten Verbrechen. Einmal in Afrika angekommen zieht Bottego seine Expeditionen teils ungeachtet politischer Entwicklungen durch. Er setzt sich über Anordnungen lokaler Autoritäten hinweg oder ist – abgeschnitten von Kommunikationswegen – gar nicht erst im Bilde über aktuelle Geschehnisse. „Die Geschichte der Kolonialisierung Afrikas war eine lange Abfolge grausamer Kapitel“, dieser Kommentar im Roman ist natürlich keine neue Feststellung, die Ignoranz der Weißen wird jedoch vielfach illustriert: Ein italienischer König bezeichnet einen afrikanischen Kaiser als „Affen“ und einen verdienten afrikanischen Expeditionsteilnehmer als „Maskottchen“. Das Abschlachten von Elefanten für Elfenbein soll Expeditionskosten decken. Kritische Fragen zeitgenössischer Kolonialismusgegner spielen eine untergeordnete Rolle. Die Expeditionen bedrohen die Integrität der betreffenden Gebiete und die Stille der Natur – das, was die „Entdecker“ kurz zuvor noch als Paradies bezeichneten.
Gianfranco Calligarich: Wie ein wilder Gott | Aus dem Italienischen von Karin Krieger | Zsolnay | 208 S. | 24 Euro
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