Führte uns die letzte Musical-Reise an Ruhr („Strike up the Band“) und Wupper („Some like it Hot“), müssen wir diesmal schon ins Schwabenländle nach Stuttgart reisen, um wirklich Lohnendes zu sehen. „Wicked – Die Hexen von Oz“ ist nach langer Zeit wieder einmal eines jener sogenannter Event-Musicals, das (fast) hält, was es verspricht. Was im Kino seit der zweiten „Star Wars“- Trilogie Mode geworden ist – die Geschichte vor der Geschichte zu erzählen – ist nun auch im Musical angekommen. Das seit über vier Jahren am Broadway vor ausverkauftem Haus laufende „Wicked“ endet da, wo der Kultfilm „Der Zauberer von Oz“ aus dem Jahre 1939 beginnt: Als Dorothy (Judy Garland) samt Haus von einem Tornado ins Hexenland gewirbelt wird, das dann die „böse“ Hexe unter sich begräbt. Das dem Film zugrunde liegende, schon 1900 erschienene Kinderbuch von Frank Baum hat in den USA jenen Bekanntheitsgrad wie sie hier die Märchen der Gebrüder Grimm haben. Deshalb ist es sicherlich ein Wagnis, „Wicked“ in Stuttgart auf die Bühne zu bringen. Aber das original vom Broadway übernommene, phantasievolle Bühnenbild von Eugene Lee, das sich bis in den Zuschauerraum rankt, zieht uns sofort in seinen Bann. Auch ansonsten fällt das auf dem „Enthüllungs“-Bestseller von Gregory Maguiere basierende Musical aus dem Rahmen. Denn die Hassliebe zwischen der „guten“ Hexe Glinda (typisch blond: Lucy Schrere) und ihrem „bösen“ Pendant Elphaba (wunderbar giftgrün: Willemijn Verkaik), die sich in denselben Prinzen verlieben, wird zum Spiegelbild der Gesellschaft. In der imaginären Zauberwelt von Oz, in der auch Reminiszenzen an Harry Potter mitschwingen, geht es um Machtstreben, das Ausgrenzen Andersdenkender, um Liebe, Freundschaft und mehr Schein als Sein. Komponist Stephen Schwartz, der schon in den 70er Jahren mit „Godspell“ und „Pippin“ am Broadway Furore machte, flossen diesmal nicht solche Ohrwürmer wie „Day by Day“ oder „No Time at All“ aus der Feder. Aber sein von Veaudeville-Elementen und kreischender Popmusik durchzogener Score lässt sich gut anhören und findet vor allem in den beiden Hauptdarstellerinnen kongeniale Interpretinnen, die zudem noch überzeugend ihre Charaktere interpretieren. Die Bonner Oper bemühte sich mit ihrer Welturaufführung des Symphonic-Rock-Musicals „Der Ring“ erst gar nicht, gegen diese Qualität anzutreten, sondern signalisierte bei der Premiere schon im Foyer, dass es hier um die Niederungen deutscher (Musical-)Unterhaltung geht: Man entblödete sich nicht, den aufgespritzten Porno-Star Dolly Buster als Prominenz aufzufahren. Auf der Bühne verhackstückte dann Deutschlands fleißigster Musical-Komponist Frank Nimsgern (u.a. „Paradise of Pain“) und sein auch nicht gerade mit übermäßigem (Musical-) Talent bedachte Librettist Daniel Call Wagners „Ring der Nibelungen“ zu einer ohne jegliches Gespür für Timing inszeniertes (Christian von Götz), hölzern gespieltes und schwunglos choreographiertes (Marvin A. Smith) Spektakel voll unfreiwilliger Komik und Streichern vom Band. So lohnt es sich leider nicht, den „Ring“ auf dem Weg nach „Oz“ aufzusammeln.
Infos unter: Palladium-Theater Stgt I Di-So I Telefon 01805 44 44, www.stage-entertainment.de
Theater Bonn I 2./3./10.2. I Tickets: 0228 77 80 08. www.theater.bonn.de
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