Trotz Corona haben Künstler eine Sicherheit: Ob vor oder nach der Krise, sie bleiben die Berufsgruppe, die bis zur Prekarisierung unterbezahlt ist. Dieser Zynismus lässt sich als Erkenntnis aus der Studie „Frauen und Männer im Kulturmarkt“ von Gabriele Schulz und Olaf Zimmermann gewinnen. Es ist die dritte Erhebung des Kulturrates nach 2012 und 2016. Das Kompositum vom „Kulturmarkt“ macht schon deutlich, dass der Begriff der Kultur sehr weit gefasst wird – was die Triftigkeit der Studie und die Legitimität des Kulturrats erhöht. Demnach verdienen 1,3 Mio. Menschen ihr Geld im Kultursektor, mithin 3,1 Prozent der Erwerbstätigen, knapp 500.000 davon freiberuflich – damit lässt sich prunken. Doch das schließt dann auch Berufe in Kunsthandwerk, Mediengestaltung, Dokumentation, Journalismus und sogar der Lehre außerhalb der Schule ein.
Die vielleicht erschütterndste Aussage lautet, dass Freiberufler durchschnittlich 1500 Euro brutto im Monat verdienen, Tendenz sinkend. Was das für die gesellschaftliche Teilhabe bis zur Rente heißt, muss man nicht erläutern. Es gibt besserverdienende Freiberufler in Hamburg, das Schlusslicht im Ranking bildet Thüringen. Kultur ist dabei immer noch primär Frauensache. „Wenn man über den Arbeitsmarkt Kultur spricht, spricht man auch über einen Frauenarbeitsmarkt“, sagte Gabriele Schulz im WDR. Das heißt aber auch, dass der Gender Pay Gap unverändert hoch ist: Durchschnittlich verdienen Frauen 20 Prozent weniger als Männer. Über den Anteil von Migranten im Kulturmarkt erfährt man dagegen kaum etwas.
Einbezogen in die Studie wurden diesmal nicht nur Freiberufliche, sondern auch Angestellte, deren Anteil gegenüber 2015 um 60 000 in die Höhe geschnellt ist. Dass eine Festanstellung der Selbstständigkeit überlegen ist, muss man nicht betonen. Auskömmlich verdienen lässt sich im Kulturmarkt nur in der Verlagsbranche oder Medienwirtschaft, bei den Freiberuflern in der „Berufsgruppe Wort“ (Drehbuch, Libretto etc.). Die Vorschläge der Studie, wie das zu ändern sei, kann man sich schenken: Appelle an Arbeitgeber, Löhne zu erhöhen, sind blauäugig angesichts des kommenden Spar-Tsunamis. Zahnlose Gewerkschaften wie ver.di interessieren sich sowieso nicht für Freiberufler. Und derzeit wäre schon die Bewahrung des Status quo eine gewaltige Leistung.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mehr Solidarität wagen
Die Theater experimentieren mit Eintrittspreisen – Theater in NRW 01/23
2G oder 3G?
Die Theater zwischen Landesverordnung und Sicherheitsgefühl – Theater in NRW 10/21
Wir Kultur-Protestanten
Warum die Schließung von „Freizeiteinrichtungen“ unchristlich ist – Theater in NRW 12/20
Digital-Angebote während Corona
Streaming, Podcasts, Live-Auftritte und mehr
Tanzen mit Plexiglashelm
Land NRW beschließt bindende Regeln für den Theaterbetrieb – Theater in NRW 06/20
„Das Tor zur Welt“
Kompakt-Gründer Voigt & Voigt über ihr neues Album – Popkultur 05/20
„Je länger es dauert, desto schwieriger wird es werden“
Schauspielchef Thomas Braus zu geschlossenen Bühnen – Bühne 05/20
Schutz vor Verdienstausfällen
NRW plant Absicherung für freie Künstler – Theater in NRW 01/25
Offen und ambitioniert
Andreas Karlaganis wird neuer Generalintendant in Düsseldorf – Theater in NRW 12/24
Endspurt für Mammut-Projekt
Beethovenhalle kurz vor der Fertigstellung – Theater in NRW 11/24
Jünger und weiblicher
Neue Leitungsstruktur am Mülheimer Theater an der Ruhr – Theater in NRW 10/24
Überleben, um zu sterben
Bund will bei der Freien Szene kürzen – Theater in NRW 09/24
Bessere Bezahlung für freie Kunst
NRW führt Honoraruntergrenzen ein – Theater in NRW 08/24
Mit allen Wassern gewaschen
Franziska Werner wird neue Leiterin des Festivals Impulse – Theater in NRW 07/24
„Zero Waste“ am Theater
Das Theater Oberhausen nimmt teil am Projekt Greenstage – Theater in NRW 06/24
Demokratie schützen
Das Bündnis Die Vielen ruft zu neuen Aktionen auf – Theater in NRW 05/24
Theatrales Kleinod
Neues Intendanten-Duo am Schlosstheater Moers ab 2025 – Theater in NRW 04/24
Neue Arbeitszeitregelungen
Theater und Gewerkschaften verhandeln Tarifvertrag – Theater in NRW 03/24
„Der Tod ist immer theatral“
Theatermacher Rolf Dennemann ist gestorben – Theater in NRW 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
Das diffamierende Drittel
Einkommensunterschiede in der Kultur – Theater in NRW 12/23
Neues Publikum
Land NRW verstetigt das Förderprogramm Neue Wege – Theater in NRW 11/23
Analoge Zukunft?
Die Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund eröffnet ihren Neubau – Theater in NRW 10/23
Tausch zwischen Wien und Köln
Kay Voges wird Intendant des Kölner Schauspiels – Theater in NRW 09/23
Folgerichtiger Schritt
Urban Arts am Theater Oberhausen – Theater in NRW 08/23