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Thomas Braus
Foto: Lisa Jureczko

„Je länger es dauert, desto schwieriger wird es werden“

01. Mai 2020

Schauspielchef Thomas Braus zu geschlossenen Bühnen – Bühne 05/20

engels: Herr Braus, die Reise in Dantes Hölle fällt heute leider aus. Das Chaos durch die Corona-Pandemie geht weiter. Wie geht es der Darstellenden Kunst in Wuppertal?

Thomas Braus: Na ja… Sie ruht. Im weitesten Sinne. Sie ruht natürlich nur vordergründig, denn wir können in keiner der Spielstätten spielen. Im Opernhaus ist der Probenbetrieb seit 13. März komplett eingestellt. Die Premiere von „Romeo und Julia“ entfällt vorläufig. Eigentlich hätten im Schauspiel die Proben zu „Tod eines Handlungsreisenden“ beginnen sollen, auch diese fallen aus, weil wir nicht dürfen. Zurzeit sind die meisten, die in der Verwaltung arbeiten, im Homeoffice. In der Technik werden Überstunden abgebaut und Urlaube genommen, die Darsteller sind zuhause.

Kann man denn in einem Theaterbetrieb alles nach hinten verschieben? Oder ist das technisch gar nicht möglich?

Das ist das große Problem. Zu Beginn der Corona-Krise und unserer Schließung haben wir einen ersten Plan gemacht. Der ging davon aus, dass wir am 14. April wieder proben können. Den Plan haben wir inzwischen verworfen und einen neuen gemacht. Letztlich sind wir hilflos wie viele andere auch. Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wir arbeiten mit Verschiebungen, aber in der Oper musste eine Produktion schon auf eine andere Spielzeit verschoben werden, im Schauspiel kann das auch passieren. Auch die Präsentation der kommenden Spielzeit ist jetzt erstmal gestoppt, weil wir noch gar nicht wissen, ob es bestimmte Produktionen in der laufenden Spielzeit gibt, die wir nicht rausbringen können. Momentan habe ich immer noch Hoffnung, dass wir mit allem rauskommen, was wir geplant haben. Nicht unter denselben Umständen, teilweise mit verkürzten Probenzeiten, aber da wissen die Regisseurinnen und Regisseure Bescheid. Man kann aber bei allem immer nur im Konjunktiv sprechen. Und je länger es dauert, desto schwieriger wird es werden.

Wie kann man in diesen kontaktlosen Zeiten denn die Bevölkerung überhaupt mit Kunst und Kultur versorgen?

Das hat zwei Seiten. Zum einen: Theater ist ein live-Format. Wir sind nicht Film, wir sind kein digitales Format. Live dürfen wir aber nicht auftreten. Das ist eben aus gesundheitstechnischen Gründen nicht machbar. Zum anderen: Was jetzt jedes Theater überlegt, sind andere Möglichkeiten, wie Streaming oder Online-Formate. Aber da gibt es nur kleinformatige Möglichkeiten. Dennoch, je länger die Krise dauert, desto mehr muss man über solche Alternativen nachdenken. Aber das eigentliche theatrale Erlebnis, das kann nicht stattfinden. Da muss man ganz ehrlich sein.


Letzte Premiere im Februar: „atlas“ mit Thomas Braus, Julia Meier, Philippine Pachl und Julia Wolff (v.l.), Foto: Uwe Schinkel

Wollen denn die Bürger überhaupt digitale Formate von Kunst und Kultur?

Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Manch einen interessiert das nicht und das sind diejenigen, die sowieso nicht ins Theater gehen. Aber wir haben schon unser Publikum, und ich bin mir sicher, da gibt es einige, die sich dafür interessieren, die sagen: Das würde ich mir gerne anschauen. Es ist ja auch nicht so, dass wir nichts machen. Wir produzieren eine Art Hörbuch, denn letztlich gehört ja das Sprechen auch zur Arbeit des Schauspielers. Das ist ein Podcast, wir filmen das nicht. Das können wir, aber wir müssen das genau organisieren: Wann kommt wer ins Tonstudio, wie ist das hygienisch. Wir können nicht einfach eine Probe machen und sie filmen und dann streamen, weil die Leute müssen sich ja an die Abstände halten und so weiter. Und wir überlegen uns gerade auch andere Formate. Was für Möglichkeiten gibt es, dass sich die Darstellerinnen und Darsteller nicht selber zuhause mit ihrem Handy filmen müssen. Da muss man aufpassen, dass man nicht in so ein Instagram-Format gerät, was mit Theater wiederum nichts zu tun hat. Aber aus den Rückmeldungen des Publikums wissen wir, dass es Leute gibt, die sich das gerne anhören. So eine Lesung, zu der ich ursprünglich in die Citykirche gegangen wäre, höre ich mir jetzt über Streaming an. Die nächsten Tage sind wir im Tonstudio und hoffen, dass wir das dann vor Ostern noch ins Internet bringen können. Andere Theater haben ja gute Aufzeichnungen von ihren Stücken, Mitschnitte mit verschiedenen Kameras und Schnitten. Das haben wir nicht – einfach aus finanziellen Gründen. Aber ich denke, so was kann man eh nur eine Zeit lang verwenden, denn es bleibt ein digitales Format.

Wie ist denn die Strategie der Stadt Wuppertal im Hinblick auf das Friedrich-Engels-Jahr 2020?

Wir sind da in engem Kontakt. Auch das ist zurzeit sehr, sehr schwierig da eine Strategie zu entwickeln, wenn man den Zeitfaktor nicht hat. Wenn wir jetzt wüssten, bald können wir alles wieder langsam hochfahren – dafür könnte man klare Strategien entwickeln. Natürlich gibt es momentan viele Überlegungen. Da wurde die Engels-Ausstellung abgesagt, aber man kann sich beispielsweise digital den Katalog angucken. Da ist ein enger Kontakt zur Politik, zur Stadt, aber trotzdem können wir immer nur temporäre Strategien entwickeln.

In diesen Zeiten geht es natürlich auch immer ums Geld. Was macht die Liquidität der Wuppertaler Bühnen?

Die wird dadurch nicht besser. Klar, wir haben Verluste. Wir haben die Einnahmeverluste, die jetzt zu den eh vorhandenen Schwierigkeiten hinzukommen. Wir hoffen, dass sich dafür in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Land eine gute Lösung finden wird. Und wir müssen uns auch solidarisch mit den freien Künstlern zeigen. Da sind wir zwar in einer viel besseren Situation, aber auch bei uns hat das folgenreiche Auswirkungen, wenn wir einer freien Regisseurin oder einem Regisseur infolge der Pandemie absagen müssen.

Und das Etat-Problem?

Es gab ein Finanzproblem bei dem Wuppertaler Bühnen und das wird noch untersucht. Die Etats der Künstlerischen Leiter wurden überprüft, aber es wurde festgestellt, dass von Seiten der Intendanten und der GMD kein Fehler passiert ist. Da ist noch nichts Finales entschieden. Der Prozess ist jetzt natürlich etwas langsamer, aber es wird weiter untersucht.

Und wer kriegt das Toilettenpapier aus den geschlossenen Häusern?

(lacht) Darüber habe ich noch nicht nachgedacht! Mir ist allerdings aufgefallen, dass es hier gerade weniger Toilettenpapier gibt. Ich habe keine Ahnung, wer das kriegt.

Das Interview fand Anfang April statt. 

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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