Wer denkt, die Karnevalssession beginne am 11.11. – der irrt sich gewaltig! Im Kölner Scala-Theater hat Wally Bockmayer sie mit „Trude zum Dessert“ schon Ende September eingeläutet. Pünktlich zum 20. Todestag der Ikone des „kölschen Chansons“ schickt er sein travestieseliges Ensemble auf die Bühne. Von Anfang an geht die Post ab. Oben im meist geschmacksfreien Universum der Quallmann-Sippe und unten im Parkett, wo man es kaum erwarten kann, mitsingen und -schunkeln zu können. Uns Trude (souverän: Hilde Schmitz) spielt eigentlich nur eine Nebenrolle, wenn sie als angebliche Volksschauspielerin in die Hochzeitsvorbereitungen ihrer Nachbarin Meta (Gigi Herr) platzt, die ihre Tochter Trina (Natascha Balzat) mit dem Türken Tufik (Markus Dietz) verheiraten will. Derweil träumen Metas zwei anderen Töchter Stina (ebenfalls Markus Dietz) und Hanni (Ralf Borgartz) von ganz anderen Karrieren. Dazwischen schwirrt immer wieder das „Prummen“-Geschwader Strichnina (Sylvia Bartusek) und Nutella (Katja Baum) durch die Szenerie und sorgt mit seinen Tanzeinlagen (Choreographie: Katja Baum) für Schwung. Grandios, wenn sie die füllige Natascha Balzat – die ihnen in puncto Beweglichkeit in nichts nachsteht – in ihre Mitte nehmen und zu dem ins Kölsche übertragenen Musical-Song „There’s gotta be something“ aus „Sweet Charity“ über die Bühne wirbeln. Aber auch das übrige Ensemble, allen voran Trude Herrs – im doppelten Sinne – einzig legitime Nachfolgerin, Gigi Herr, versprüht mit seiner Spielfreude und seinem Improvisationstalent jene gute Laune, von der man sich so gerne anstecken lässt: Musical alaaf!
Etwas ernster, aber nicht weniger unterhaltsam geht es in Aachen und Neuss zu. In der „Kammer“ wird die Hildegard Knef-Hommage „So oder So“ aufgeführt, im „Landestheater“ erlebt Rainer Werner Fassbinders „Lola“-Film seine Theater-Premiere. Beide Stücke verbindet ihr politischer Hintergrund: hier die Lebensgeschichte einer realen Diva, dort die einer fiktiven Symbolfigur für die BRD der 1950er Jahre. Während die intelligenten Lied- und Buchtexte der Knef durch die authentische Interpretation der von Regisseur Stefan Rogge präzis geführten Elisabeth Ebeling für sich sprechen, muss sich das Neusser Ensemble schon etwas mehr mühen, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Sein gesangliches Talent bleibt beim Trällern zeitgenössischer Schlager wie „Am Tag als der Regen kam“ meist hinter den schauspielerischen Fähigkeiten zurück. Da auch die Inszenierung (Bettina Jahnke) das richtige Timing vermissen lässt und sogar das Bühnenbild (Ivonne Theodora Storm) die Bewegungsabläufe abbremst, kann man sich uneingeschränkt nur an den hübschen Arrangements des Musikalischen Leiters Walter Kiesbauer erfreuen. Immerhin macht „Lola“ neugierig auf Fassbinders Film. Sei es als „Ersteinsteiger“ oder als „Wiederholungstäter“.
www.scala-koeln.de I www.theateraachen.de I www.rlt-neuss.de
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