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Musical-Talentschuppen

01. März 2008

Die Neuköllner Oper Berlin ist Deutschlands Off-Broadway - Musical in NRW 03/08

„Berlin ist eine Reise wert“ – Dieser Slogan gilt nicht nur für die architektonischen Sehenswürdigkeiten unserer Hauptstadt. Auch kulturell ist die Metropole an der Spree Spitze: die größte Kino-Dichte der Republik, Dutzende Theater und drei Opernhäuser. Genauer gesagt „dreieinhalb“ – denn mit der Neuköllner Oper hat sich im tiefsten Kiez eine Spielstätte etabliert, deren Programm genauso „schräg“ ist wie der Ruf des Viertels. Ein Theater, das der hehren Oper und dem Event-Musical eine überbordernde Kreativität entgegensetzt, wie man sie eigentlich nur am Off-Broadway erleben kann.

Da stehen Auseinandersetzungen junger Musiker mit dem musikalischen Erbe Richard Wagners („Mitleid!“ ab 14.2.) neben einer „Methusalemisierung“ von Puccinis „Boheme“ (ab 3.4.) und einer Kinderjazzoper („Major Dux“, ab 18.5.). „Die Piraten von Kreuzberg“ (ab 2.10.) ist eine neue Berliner Sullivan-Operette nach den „Piraten von Penzence“, und eine unbekannte „Mozart-Oper“ („Der wohlmeinende Türke“ ab 27.12.) erzählt von einer jungen Generation türkischstämmiger Deutscher fernab des Proll-Türken-Klischees.

Die Sahnehäubchen auf dem innovativen Repertoire bilden aber immer wieder außergewöhnlich interpretierte Broadway-Klassiker von Gershwin („Lady be Good!“) über Rodgers („The Sound of Music“) und Sondheim („Assassins“) bis hin zu „Eigengewächsen“, die seit zehn Jahren in Kooperation mit dem Studiengang Musical/Show an der Universität der Künste entstehen. Zur Zeit steht „Kauf dir ein Kind!“ von Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Text/Regie) auf dem Programm, das ein gar nicht so zukunftsfernes Thema behandelt: Die Firma „Childlike Creatures“ stellt für 70.000 € ein Kind nach Wunsch her. So landet der 7jährige Pino (Andreas Röder) im Haus des sexuell frustrierten Paares Kristin (Juliane Dreyer) und Mark (Sebastian Smulders). Da die Firma aber auch „Vergnügungsfachkräfte“ herstellt, kommt das Rotlichtmilieu ins Spiel. Pino läuft plötzlich der falschen „Mama“ hinterher und erpresserischen Zuhältern (Lars Redlich, Francisco del Solar) in die Arme. Karolina Kubiak als Roboter-Hure, Camilla Kallfass als echte Nutte und Jeanette Claßen als Kundenbetreuerin ergänzen das spielfreudige Darsteller-Oktett. Die Rollen sind ihnen wie auf den Leib geschrieben, die mitreißende Choreographie von Neva Howard und die eingängigen Songs lassen sie ihr ganzes Musical-Talent entfalten. Und das hat eine an deutschen Musical-Bühnen wahrlich seltene tänzerische und stimmliche Qualität.

So berührt dieses nicht immer jugendfreie Science-Fiction- Musical die Herzen mit gefühlvollen Balladen wie „Eine Maschine, genauso wie ich“ oder bleibt noch lange im Ohr mit dem schmissigen „Mutter zu sein“.

Also, beim nächsten Berlin-Wochenendtrip nicht nur „Tanz der Vampire“ buchen, sondern gleich noch eine Karte für die Neuköllner Oper. Da stimmt noch das Preis-Leistungs- Verhältnis.

Infos unter: www.neukoellneroper.de

Rolf-Ruediger Hamacher

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