Mit einem „antörnenden“ Theaterstück in den Silvesterabend einsteigen. Das hat Tradition im (deutschen) Kulturbetrieb. Im Fernsehen war es einst Millowitsch, der die Familie vor dem Pantoffelkino versammelte, ehe man sich mit der obligatorischen Show dem Gläser-Anstoßen näherte. Die Theater spielten meist Boulevard oder Operetten, die einen in die erwünschte ausgelassene Stimmung brachten. Jetzt hat weitgehend das Musical diese Funktion übernommen. Und aus der Vielzahl der Angebote aus dem Ländle ragen drei überaus launige besonders hervor.
Im Aachener Grenzlandtheater traute man sich trotz seiner zwar langen, aber schmalen Bühne an den Broadway-Hit: „Der kleine Horrorladen“. Das ergibt zuerst einmal Probleme für die Choreographie, die Marga Render aber geschickt löste, in dem sie ihr Musical-erfahrenes Trio (mit perfekter Leichtigkeit: Verena Raab, Daniela Grubert und Jenny Woo) mit kleinen, aber feinen Tanzeinlagen eher kommentierend denn „ausladend“ einsetzte. Besonders hübsch, wenn die drei als erotisierende Weihnachtsfrauen über die Bühne hüpfen. Eher makaber geht es in den Spiel-Szenen des Stücks zu, in denen die Menschenfleisch fressende Pflanze „Audrey II“ ihr Unwesen treibt. Und natürlich wie ihre Opfer die von Christoph Eisenburgers Band fetzig arrangierten Songs von Alan Menken trällert. Regisseur Anatol Preissler und sein spielfreudiges Ensemble meistern die Herausforderung, den Broadway bühnengerecht „einzudampfen“, mit Bravour.
Makabres und Experimentelles gehen auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses eine gelungene Synthese ein. Kein Wunder, wenn die Initiatoren Robert Wilson (Konzept), William S. Burroughs (Buch) und Tom Waits (Musik) heißen. „The Black Rider“ heißt ihre Kreation, die ihren Siegeszug um die Welt mal nicht vom Broadway oder Londoner Westend, sondern von Deutschland aus (Uraufführung 1990 in Hamburg) angetreten hat. Die die alte „Freischütz“-Sage vom Pakt mit dem Teufel variierende Geschichte ist wunderbar „sinnfrei“ angesiedelt zwischen Veaudeville-Songs und Monty Python-Humor, Wilhelm Busch-Moral und Heinz Erhardt-Wortklaubereien („Kein Wald im Revier, ich geh wieder zum Papier“). Der Hinkefuß (diabolisch: Michael Schütz) führt selbst als Conferencier durchs anarchische Geschehen, das Hermann Schmidt-Rahmers präzise Inszenierung und Günter Lehrs facettenreich-schräge Band zusammenhalten. Unterstützt von einer agilen Schauspielergarde, die auch gesangliche Qualitäten offenbart.
Die Ensemble-Leistung ist es auch am Kölner Theater der Keller, die unter der einfühlsamen Regie von Herbert Wandschneider aus Franz Wittenbrinks Revue „Lust“ einen wirklich lustvollen Abend macht. Sieben quirlige Putzfrauen, ein Philosoph und ein in mehrere Rollen schlüpfender Mann halten sich nicht lange bei der ohnehin dünnen Handlung um eine Bordell-Reinigungskolonne auf. Durch bekannte, meist umgetextete Lieder zwischen Brecht und Rap erzählen die Akteure von ihrem Leben. Und das machen sie mit so viel Witz und Charme, dass man schnell mit ihnen vertraut wird und am liebsten die ganze Truppe für den eigenen Hausputz engagieren würde. Man kann nur hoffen, dass das neue Jahr so beschwingt weitergeht.
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