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„Ein Mann geht durch die Wand“
Foto: Dietrich Dettmann

Nachwuchs mit Pfiff

26. April 2012

Gelungene Musical-„Experimente“ in Essen und Hagen - Musical in NRW 05/12

Im für seine innovativen Musical-Produktionen bekannten Theater im Rathaus Essen wird derzeit äußerst amüsant über das „wandlose Dasein“ sinniert. Genauer gesagt, gesungen – und das durchgehend 100 Minuten lang. Denn das von Michel Legrand komponierte und von Didier van Cauwelaert geschriebene Musical „Ein Mann geht durch die Wand“ steht in der Tradition von Michel Legrands durchkomponierter Jazz-Oper „Die Regenschirme von Cherbourg“, mit der er 1964 die Film- und Musical-Geschichte revolutionierte. Während dieser musikalische Geniestreich immer noch auf seine deutsche Theater-Premiere wartet, wagte sich nun die Musical-Abschlussklasse der Folkwang-Universität an die deutschsprachige Erstaufführung von „Ein Mann geht durch die Wand“ – und landete einen Volltreffer.

Im zauberhaften Bühnenbild von Beata Kornatowska, das ein Pariser Arbeiterviertel kurz nach dem 2. Weltkrieg auferstehen lässt, wird die Geschichte des schüchternen Beamten Dutilleul mit der ungewöhnlichen Begabung erzählt. Tagsüber treibt er seinen allseits verhassten Chef in den Wahnsinn, nächtens narrt er die Polizei. Als „Werwolf“ ist er bald das Tagesgespräch, hofft, dadurch die Aufmerksamkeit der heimlich verehrten Nachbarin Isabelle zu erlangen. Die ist unglücklich mit dem Staatsanwalt verheiratet, der Dutilleul schließlich ins Gefängnis bringt, selbst aber über seine Vergangenheit als Nazi-Kollaborateur stolpert – und somit den Weg zum Happyend freimacht. Regisseur Gil Mehmerts leichthändige Inszenierung verschmilzt kongenial mit der beschwingten Partitur, die Melissa King zu kleinen, aber feinen choreographischen Tupfern nutzt. Das bis in die kleinsten Nebenrollen hinein überzeugende Ensemble wird ganz wunderbar von Oliver Morschel (Dutilleul) und Marie Lumpp (Isabelle) angeführt, die eigentlich nur noch von der schier überbordenden Bühnenpräsenz Julia Meiers (als selbstbewusste Bordsteinschwalbe) getoppt werden.

„Nachwuchs“ stand auch auf der Bühne des „theaterhagen“: 150 SchülerInnen der fünf Hagener Berufskollegs produzierten mit Profis das Musical „Beats“, in dem die Jugendlichen eines Freizeitzentrums ein Musikprojekt auf die Beine stellen sollen. Doch Beziehungsprobleme und die drohende Schließung der Einrichtung zögern das Happyend heraus ...

Schon die Ouvertüre klingt nach Broadway – und die Musik von Axel Goldbeck löst dieses Versprechen dann auch ein, unterstützt von den pointierten Liedtexten der „Lemonbabies“-Gründerin Diane Weigmann.

Das von Steffen Müller-Gabriel dirigierte Orchester könnte allerdings etwas sensibler auf die doch begrenzten gesanglichen Möglichkeiten des engagierten Jugend-Ensembles eingehen, dem Johannes Maria Schatz ein Libretto auf den Leib geschrieben hat, das allerdings mehr an Klischees, denn an Charakteren interessiert ist. Regisseur Thilo Borowczak holt schauspielerisch das Optimale aus den 16- bis 25jährigen Laien heraus, hat mit Wioleta Czebotorowicz (als wegen ihrer Homosexualität gehänseltem Floh) vielleicht sogar ein Talent entdeckt , dem eine Musicalkarriere zuzutrauen ist. Auf jeden Fall dürfte das Projekt eine neue Zielgruppe fürs (Musik-)Theater begeistert haben – und das allein schon macht „Beats“ sehenswert.

ww.theater-im-rathaus.de I 0201 245 55 55

www.beats-musical.de
I 02331 207 32 18

ROLF-RUEDIGER HAMACHER

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