Kunst und Kreativität werden zukünftig an Wert verlieren. Indem Musik automatisiert wird, kann jeder Musiker oder Komponist sein.
„Algorithmen optimieren zunehmend den Kompositionsprozess und schreiben dadurch wahrscheinlich auch die besseren Werke“, behauptet Francisco Tigre Moura, ein Marketing-Professor aus Bad Honnef – soweit der provokante Thesen-Kader des Wirtschaftswissenschaftlers im Rahmen aktueller KI-Diskussionen. Das mag für Gangster-Rapper und Techno-Optimierer sicher gelten – denn da hat die Musik-Vermarktungsmaschine schon lange eine „Musiker-freie Zone“ im Musikstudio geschaffen. Aber der Visionär aus Bad Honnef behauptet dies für alle Genres, „egal ob Pop, Rock, Jazz oder Klassik“.
Warum diese Botschaft ausgerechnet die „Katholische Nachrichten-Agentur“ vermeldet, weiß niemand. Aus dem Schoß der Kirche wurden in Demut Schätze der Musikgeschichte geboren. Vielleicht will die Geistliche Behörde ihre Musici durch Automaten ersetzen – aus Kostengründen.
Überhaupt klingen die Thesen völlig haltlos herausposaunt: Angeblich seien die Tage gezählt, an denen „jemand stundenlang überlegt und ausprobiert, wie eine Komposition besser werden könnte“ – das kommt wohl eher in einer der zahllosen Kochshows zum Tragen als in einer Komponistenwerkstatt. Nirgends führen Emotionen und persönliches Schicksal den dicken Farbpinsel programmatisch inspirierter Musik wie in den tiefromantischen Werken Peter Tschaikowskys, dessen Vierte Sinfonie, ein autobiografischer Krimi, im Mai auf den Pulten der Dortmunder Philharmoniker liegt. Solche Musik fließt aus dem Herzen.
Da lassen sich besser die ebenfalls erklingenden und im Sinne des Russischen Realismus geschaffenen Ballett-Suiten Aram Chatschaturjans als Software füttern, denn die orientieren sich an kaukasischen Volkstänzen, Musik vom Volk für das Volk. Aber ob der Automat dabei ein so herrliches Adagio (verwendet in Kubricks 2001) oder den legendären Säbeltanz (als Tabledance für Billy Wilders Eins, zwei, drei) schaffen kann, bleibt fraglich. Maestro Markus Stenz dirigiert das russische Fest, und zum Violinkonzert von Chatschaturjan begrüßt er den energiegeladenen Virtuosen Nemanja Radulovic. Der Serbe sagt zu seinem Spiel: „Wenn man sich fröhlich fühlt, sollte man das ebenso auf die Musik übertragen wie jede Art von Bedrückung oder Traurigkeit.“ Wie aber lässt sich das programmieren?
Philharmonische Konzerte | 7. & 8.5. 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund | www.doklassik.de
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