Dmitri Schostakowitsch, der Komponist der „Leningrader“, empfahl den Hörern dieser Sinfonie, vor Genuss der Musik den 79. Psalm Davids zu lesen: diesen Notschrei zu Gott, er möge ein geschändetes Volk retten, das Martyrium der unschuldigen Opfer rächen und Vergeltung üben „für das Blut deiner Knechte, das vergossen ist“. Heute könnten die Zuhörer emotional davon profitieren, sich vielleicht an einen Roman wie die „Wohlgesinnten“ von Jonathan Littell zu erinnern. Schostakowitsch schuf für seine Heimatstadt ein sehr persönliches Werk. Der Komponist: „Ich wollte ein Werk über unsere Menschen schreiben, die in ihrem im Namen des Sieges geführten Kampf gegen den Feind zu Helden werden... Als ich an der neuen Sinfonie arbeitete, dachte ich an die Größe unseres Volkes, an seine Heldenhaftigkeit, an die wunderbaren humanistischen Ideen, an die menschlichen Werte, an unsere wunderschöne Natur, an die Menschheit, an die Schönheit.“
Ein Zeitzeuge erinnert sich an die Erstaufführung in Leningrad während der Belagerung und Aushungerung, die 900 Tage dauern sollte: „Irgendjemand besorgte dem Dirigenten einen frisch gestärkten Kragen für das Frackhemd; es war einfacher, einen Frack zu finden als Kartoffeln. Die Musiker erschienen in Uniform, zogen sich aber in der Garderobe um. An den Haken hingen Mäntel und Uniformgürtel, an den Wänden lehnten Karabiner und Pistolen. Daneben lagen die Instrumentenkästen.“ Wegen der großen Besetzung des Werkes mussten zusätzliche Musiker vom Frontdienst abberufen werden. Während der Aufführung hatte die sowjetische Verteidigung das Artilleriefeuer eingestellt, um das Konzert nicht zu stören.
Der sensationelle Erfolg dieser „Kriegssinfonie“ steigerte sich im alliierten und neutralen Ausland, wohin die Partitur auf Mikrofilm per Flugzeug gelangte. Dirigenten wie Toscanini, Kussewizki, Stokowski oder Ormandy begeisterten Millionen für das Werk und verbreiteten den Ruhm Schostakowitschs, eines ebenso genial begabten wie politisch engagierten Komponisten. Diese Bestrebung verfolgt jetzt auch Chefdirigent Gabriel Feltz mit seinen Dortmunder Philharmonikern, der zusätzlich den Humor und Sinn für das Groteske bei Schostakowitsch interpretieren kann – was der Komponist erst lange nach dem Tode Stalins preisgab: Aber wenn die kleinen Trommeln marschieren, kommt bestimmt keine Karnevalsstimmung auf.
Sinfoniekonzert | 15., 16.1. 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund | 0231 502 72 22
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