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Direktimport aus Lissabon: Os Músicos do tejo
Foto: Jorge Carmona / WDR

Rebellen und Revoluzzer

26. Oktober 2017

In Herne poltert die Alte Musik – Klassik an der Ruhr 11/17

Regionale Produkte bleiben verstärkt en vogue. Kurze Lieferwege suggerieren Frische und Umweltfreundlichkeit. Findet sich nichts vor Ort, muss ein Markt her. Findet sich nichts im Lande, eine Messe. Wie eine internationale Spezialitätenmesse muten daher die 42. Tage Alter Musik in Herne an. Aus ganz Europa reisen Musik-Ensembles an, im Gepäck teilweise vergessene Tonmeister der Vergangenheit. Exotischste Kreationen wie Opernstoffe, in Noten gesetzt von Damenhand am Hofe der Medici, die frühe hanseatische Passionsmusik einer Capella Thuringia oder portugiesische „Modhinas“, inspiriert von den Gesängen brasilianischer Sklaven. Herne lässt es auch verbal richtig krachen mit dem Thema „Aufbruch! Rebellen, Reformer und Revolutionäre in der Musik zwischen Mittelalter und Romantik“.

„La Cecchina“, das Singvögelchen, nannten die Zeitgenossen um 1600 die junge Sängerin, Lauten- und Cembalospielerin und Komponistin Francesca Caccini. Monteverdi persönlich erwähnte ihre Qualitäten in einem Brief. Auf Wunsch der Königin Maria de Medici reiste die musikalische Familie Caccini sogar nach Paris, wo Francesca eine Anstellung als Musikerin angeboten wurde – die Medici beorderten die Familie zurück nach Florenz. Dort blühte die höfische Kultur, und neben Jacopo Peri, genannt „Il Zazzerino“, der Zottelkopf, Erfinder des rezitativischen Gesanges, war Francesca die bedeutendste und besthonorierte Hofmusikern der Fürstenfamilie.

Die toskanische Aristokratie lauschte 1625 der Uraufführung ihrer einzig erhaltenen Oper „La liberazione di Ruggiero“. Für Caccinis Musik hat sich in den 1980ern die einstige Stadtmusikerin von Unna, Elke Mascha Blankenburg, stark gemacht, auch in Köln gab es eine Aufführung dieser Oper. Mit ausgesuchtem Fachpersonal für Alte Musik und dem Ensemble Soave wird diese vielleicht erste Oper einer Komponistin mit Leben gefüllt.

Eine weitere Rarität stellt „Der blutige und sterbende Jesus“ dar, ein Oratorium, das im Hamburg des Jahres 1705 für Aufsehen und Proteste sorgte. Bach war damals 20 Jahre alt und wanderte gerade nach Lübeck, um „den dasigen berühmten Organisten Buxtehuden zu behorchen“. In Hamburg hätte er den führenden Opernkomponisten Reinhard Keiser erleben können, der den Skandalautor „Menantes“ zum Librettisten seines Oratoriums erkor. Dieser hatte nach italienischem Vorbild die Evangelien-Texte in Verse gesetzt, die von echten Opernsängern vorgetragen wurden. Aus Verkündung wurden nun Verkünder, dramatische Figuren, das weckte den Unmut der Kirche. Cantus und Capella Thuringia krönen das Festival mit einer sehr interessanten Aufführung, deren Musik erst 2006 in einer Partiturhandschrift Keisers wiederentdeckt wurde.

In Portugal arbeiteten im frühen 18. Jahrhundert Kreise gegen die Vormacht des Italienischen am Hofe. Bürgerliche Schichten kreierten eine eigene portugiesische Musiksprache, ein Ensemble direkt aus Lissabon erzählt diese Geschichte aus einer unbekannten Musikwelt: drei kleine Beispiele aus einem sehr spannenden Programm.

42. Tage Alter Musik in Herne | 9.-12.11. | www.tage-alter-musik.de

Olaf Weiden

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