Vom 7. bis zum 26. Oktober feiert die Afrikafilmreihe „Jenseits von Europa“ ihre zehnte Ausgabe mit einem opulenten Programm: 44 Filme zeigen afrikanisches Kino der Gegenwart, eine kleine Rückschau auf die Highlights aus den rund 300 Filmen der bisherigen Afrikafilmfeste von 1992 bis 2006 ergänzt die Feierlichkeiten. Eigentlich ein Grund zur Freude, wäre da nicht die unsichere Zukunft des Festivals.
Kinokultur der Welt
Für das Jubiläumsfestival hat die Gruppe FilmInitiativ, die mit dem Festival außerdem ihr zwanzigjähriges Bestehen feiert, einen höheren Zuschuss bei der Stadt beantragt. Der wurde zwar im Vergleich zu den vorherigen Jahren erhöht, aber entsprach bei weitem nicht den Anforderungen eines Festivals in dieser Größenordnung. Da auch die Bemühungen, das Finanzloch durch neue Förderer und Kooperationspartner zu stopfen, nur bedingt erfolgreich waren, musste man schließlich auf Kosten der eigenen Honorare den Etat um 30.000 Euro abspecken, erklärt Karl Rössel von FilmInitiativ die derzeitige Lage. Auf dieser Basis könnte man in Zukunft nur noch kleinere Veranstaltungen machen, das Festival würde in dieser Form nicht mehr stattfinden können.
Auch über die aktuelle Debatte um ein Haus der Kulturen, das eventuell in das neue Kulturzentrum am Neumarkt integriert werden soll, zeigt sich Karl Rössel verärgert: „Dort werden in einer Ratssitzung aus dem Stand 240.000 Euro beschlossen, ohne dass auch nur jemand auf die Idee kommt, mit den Gruppen, die Kultur der Welt präsentieren und mit dem Haus der Kulturen in Berlin seit Jahren kooperieren, zu reden. Niemand wurde da mit einbezogen, und schon ist eine Viertelmillion weg. Das ist mehr, als die gesamte freie Filmszene in zwei Jahren an Unterstützung bekommt“. Laut Ratsbeschluss ist der Dialog zwar geplant: „Das Haus der Kulturen muss mit der Kölner Kunst- und Kulturszene eng vernetzt sein“ heißt es im Beschluss. Ob das Afrikafilmfest davon profitieren wird, ist aber ungewiss. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Film darunter leidet, bei einem snobistischen Kulturbegriff durch das Raster zu fallen. Das macht die Arbeit für ein solch ambitioniertes Festival nicht leicht. Trotzdem ist es den Machern zum Jubiläum gelungen, auch ohne die eigentlich dringend benötigten zwei Honorarstellen, die sich um die Finanzierung und die inhaltliche wie organisatorische Abwicklung des Festivals kümmern müssten, ein außergewöhnliches Programm auf die Beine zu stellen.
Den Blick geraderücken
Von Schamanismus bis Science Fiction reichen die Themen der Spielfilme, die an den zwölf Festivaltagen im Oktober zu sehen sein werden. Darunter finden sich ganz ungewöhnliche Filme wie „Les Saignantes“ aus Kamerun. Im Jahr 2025 stirbt einer Prostituierten ein hoher Regierungsbeamter im Bett. Zusammen mit einer Freundin versucht sie nun, die Leiche loszuwerden, gerät aber schnell in die Schusslinie des korrupten Regimes. Zwischen Film Noir, Science Fiction und Musikclip inszeniert Jean-Pierre Bekolo sein ästhetisch ungewöhnliches Filmexperiment. Jumpcuts, Geistererscheinungen, urbane Tanzrituale und ein tribalistischer Urbansound als Musikuntermalung machen seinen Film zu einer Ausnahmeerscheinung nicht nur im afrikanischen Kino. Ganz afrikanisch gemäß der landläufigen Vorstellung sieht „Faro – La Reine des Eaux“ aus. Salif Traoé taucht sein in Mali angesiedeltes Dorfdrama in erdige Brauntöne und inszeniert vor archaischer Kulisse: Der Ingenieur Zanga kommt nach langen Jahren in sein Dorf zurück. Er war gegangen, um als uneheliches Kind dem gesellschaftlichen Druck zu entfliehen. Mit seiner Rückkehr tauchen auch ungewöhnliche Strudel im Fluss auf. Einige Dorfbewohner glauben, der Flussgeist Faro zürnt Zanga, und sie wollen, dass er wieder geht.
Auch die großen dramatischen Themen von Armut bis Kindersoldatentum, auf die Afrika aus einem westlichen Blick gerne reduziert wird, gibt es auf dem Festival. Die Dokumentation „All about Darfur“ erzählt ähnlich wie der gerade in Köln gelaufene Film „Die Todesritter von Darfur“ vom Genozid im Sudan, allerdings aus der Innenperspektive. Das leistet auch „War Child“, eine Dokumentation über den ehemaligen Kindersoldaten Emmanuel Jal, der inzwischen als Rapper Karriere macht. Ebenso könnte ein Spielfilm wie „Sometimes in April“ den dramaturgischen Blick auf den Genozid in Ruanda, geprägt unter anderem durch Hollywoodfilme wie „Hotel Ruanda“, zurecht rücken. „Fidel, der Che und die afrikanische Odyssee“ untersucht das Engagement Kubas bei den Befreiungsbewegungen im Afrika der 60er Jahre.
Im Rahmen einer Retrospektive mit den Highlights der letzten Festivalausgaben gibt es auch ein Wiedersehen mit jüngeren Filmen aus Afrika, die es seinerzeit tatsächlich in die hiesigen Kinos geschafft haben, was leider immer noch sehr selten geschieht: In „Daratt“ erzählt Mahamed-Saleh Haroun eindringlich vom Versuch eines Jungen, nach den vielen Jahren des Bürgerkriegs im Tschad Vergeltung für den Tod seines Vaters zu üben. Der Marokkaner Nabil Ayouch begleitet in „Ali Zaou“ eine Jungengang, die nach dem gewaltsamen Tod ihres Freundes versucht, ein würdevolles Begräbnis zu arrangieren. „Kiriku und die wilden Tiere“ von Michel Ocelot & Bénédicte Galup ist schließlich ein bezaubernder Zeichentrickfilm um die Abenteuer eines sehr kleinen Jungen vom Land. Die Musik stammt von Youssou N’Dour. „Jenseits von Afrika“ präsentiert auch mit seiner Jubiläumsausgabe ein vielseitiges Filmprogramm mit vielen Gästen und musikalischem Begleitprogramm mit unter anderem Emmanuel Jal und einem Tribute für Fela Kuti. Hoffen wir, dass es nicht das letzte Festival seiner Art sein wird.
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