Nein, einen „Shrek" – was ja auf jiddisch „Schrecken" bedeutet – braucht man nicht zu bekommen, wenn man das Foyer des Düsseldorfer Capitol-Theaters betritt. Auch wenn es dort vor grüngesichtigen Menschen mit grünen Hemden und Krawatten und Oger-Doublen nur so wimmelt. Es sind nur Fans des Animation-Kultfilms „Shrek", auf dem das 2009 am Broadway uraufgeführte Musical beruht.
„Du bist jetzt sieben, komm bitte nicht zurück!", sagen Papa und Mama Oger und schicken ihren Sprössling in den Sumpf, wo er einsam und allein aufwächst. Als eines Tages der zwergenhafte Fürst Farquaad alle Märchenfiguren seines Reiches dorthin verbannt, ist es vorbei mit der Ruhe. Shrek macht sich mit einem Esel auf den Weg, um den Fürsten zur „Rücknahme" der unliebsamen Gäste zu bitten. Farquaad willigt ein, wenn Shrek ihm dafür Prinzessin Fiona aus den Fängen des Drachen befreit. Doch es kommt, wie es im Märchen kommen muss: Fiona verliebt sich in Shrek und der Esel bandelt mit dem Drachen an...
Es ist der Bühnenzauber, den Sam Madwar mit phantasievollen Kulissen und animierten Hintergrundprojektionen veranstaltet, der einen sofort ins Geschehen hineinzieht. Und die ans Broadway-Original angelehnten Kostüme und Masken von Mario Reichlin und Sarah Kleindienst sind ein weiterer Augenschmaus. Leider kommen die Ohren bei „Shrek" selten auf ihre Kosten, weil die Musik von Jeanine Tesori wenig Talent atmet. Immerhin zeigt sich Choreographin Kim Duddy auf der Höhe ihrer Kunst: Der Ratten-Stepp ist einfach affenscharf! Es ist aber letztlich die einfallsreiche Regie und präzise Schauspielführung von Andreas Gergen, die die zwischen süßlicher Disney-Moral und hintersinnig-skurillem Monty-Python-Humor angesiedelte Story auf Tempo hält. Hinzu kommt die Spielfreude der Darsteller, von denen Carsten Lepper (Farquaad) schier Unglaubliches vollbringt, weil er die ganze Zeit – mit an der Hüfte befestigten Stoff-Beinen – auf Knien rumrutschen muss. Andreas Wolfram räumt als Esel fast jede Szene ab, in der er auftritt. Den eigentlich zum Fürchten aussehenden Shrek könnte man immerzu knuddeln, weil Andreas Lichtenberger ihm so viel „Menschlichkeit" verleiht. Und keine Frage; die liebreizende Bettina Mönch (Fiona) mit ihrer wunderbaren Stimme möchte man am liebsten selbst vor dem Drachen retten. Obwohl – Vorsicht ist angebracht: Nachts wird sie grün und wenn sie trällert, zerplatzen die Nachtigallen.
Das richtige (Musical-) Weihnachtsgeschenk also für alle von 8 bis 80.
Wer eher zu den klassischen Musical-Liebhabern gehört, sollte Karten für André Klems großartige Cole-Porter-Show „Night and Day" (3.12. im Wuppertaler TIC und 16.-19.12. im Düsseldorfer Theater an der Luegallee) besorgen. Wer gar eine Reise zum Nürnberger Christkindl-Markt plant, sollte in Hof zwischenstoppen. Dort läuft nämlich die Welturaufführung von Paul Graham Browns Musical über den Entfesslungs-Künstler „Houdini". Da würde selbst der Broadway staunen!
Noch was „Kleines aber Feines" für den Gabentisch: Die umjubelte Musical-Version des Kultfilms „Billy Elliot" aus dem Londoner Westend ist endlich auf DVD zu haben!
Info: www.shrek-das-musical.com | www.tic-theater.de | www.theaterluegallee.de | www.theater-hof.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zwischen Musical und Komödienstadl
„Bikini Skandal“ an der Kölner Volksbühne – Musical in NRW 08/24
Die Seele geraubt
„Hello Dolly“ am Gelsenkirchener MiR – Musical in NRW 04/24
Nicht gerade familientauglich
„Frankenstein Junior“ an der Oper Bonn – Musical in NRW 10/23
Wohliges Gruseln im Bergischen
„Addams Family“ im Wuppertaler TiC-Theater – Musical in NRW 06/23
Alle Jahre wieder
„Rocky Horror Show“ am Capitol Theater – Musical in NRW 06/22
Abschied von einer Diva
„Sunset Boulevard“ in Krefeld – Musical in NRW 04/22
Zwei Flops und ein Volltreffer
„Der Mann von La Mancha“ am Theater Münster – Musical in NRW 03/22
Schillernde Vielfalt
Endlich wieder Musicals auf den NRW-Bühnen – Musical in NRW 01/22
Hagen liegt am Broadway
Monty Pythons „Spamalot“ am Theater Hagen – Musical in NRW 11/21
Nur ein paar (Stepp-)Schritte vom Broadway entfernt
„Chicago“ an der Bonner Oper – Musical in NRW 10/21
Sting kann auch Musical
Deutsche Erstaufführung von „The Last Ship“ in Koblenz – Musical in NRW 09/21
Hippie-Flower-Power-Rock
„Hair“ auf Burg Wilhelmstein bei Aachen – Musical in NRW 07/21
Das Musical-Phänomen schlechthin
„The Fantasticks“ in Bad Godesberg – Musical in NRW 07/21
Schlager sind Trumpf
Fetzige Jukebox-Musical in Köln und Aachen – Musical in NRW 04/20
What a Feeling
„Flashdance“ – Vom Kultfilm zum Musical-Hit – Musical in NRW 03/20
Nicht totzukriegender Musical-Klassiker
„My Fair Lady“ am Grenzlandtheater Aachen – Musical in NRW 02/20
Musicals vom Feinsten
„Chicago“ in Koblenz und „I Love You…“ in Aachen – Musical in NRW 01/20
Vom Filmklassiker zum Broadway-Hit
„Pretty Woman“ feiert seine europäische Erstaufführung – Musical in NRW 12/19
Jecker gehts nimmer
Travestie-Musical in Köln, „Blues Brothers“ in Wuppertal – Musical in NRW 11/19
Duell der Duos
„Sherlock Musical“ und „West Side Story“ – Musical in NRW 10/19
Erinnerungen an Kino-Glücksgefühle
„Doktor Schiwago“ auf der Freilichtbühne und ein Tipp fürs Heimkino – Musical in NRW 09/19
Broadway unterm Sternenzelt
Freiluft-Musicals warten mit Überraschungen auf – Musical in NRW 08/19
Dem Broadway ganz nahe
Musical-Highlights in Düsseldorf und Köln – Musical in NRW 07/19
Die „Fleischwerdung“ der guten Laune
„Singin‘ in the Rain“ in Wuppertal – Musical in NRW 06/19
Fantastische Bilderwelten
„Big Fish“ im Gelsenkirchener MiR – Musical in NRW 05/19