Nach „Trude zum Dessert“ serviert das Kölner Scala-Theater diesmal eine deftige Hauptspeise: den Tortellini-Western „Puddelrüh durch die Prärie“. Zu Beginn beschwört Regisseur „Wally“ Bockmayer goldene Kinozeiten herauf, indem er zur Titelmelodie von „Die glorreichen Sieben“ die Mitwirkenden über eine Leinwand flimmern lässt. Dann geht’s handfest auf der Bühne weiter: Als Anneliese mit ihrer „erotischen Nutzfläche“ voran aus dem Wigwam klettert, ist klar, wohin die Reise geht: unter die Gürtellinie. Aber da das mit überbordender Spiellaune agierende Ensemble ein charmanter „Reisebegleiter“ ist, schluckt man so manche Zote. Das kölsche Mädchen (Gigi Herr) hat es in die Prärie verschlagen, wo sie mit dem mittlerweile verstorbenen Häuptling Rollender Stein Sohn Winnitunt gezeugt hat. Der hat einen Ödipus-Komplex, liebt sein Pferd Klitschi und den Cowboy Old Stinkesocke. Anna Patschi (Natascha Balzat) hat ein Auge auf Winnitunt geworfen und folgt ihm und seiner Mutter zurück nach Kölle. Vorher feiert Winnitunt noch seinen 21. Geburtstag im Saloon „Prärieauster“, wo Gigi Herr mit dem Cole Porter-Song „Wunderbar“ beweist, dass sie nicht nur „Racke Rauchzart“ in der Kehle hat, sondern auch als Stripperin ansehnlich ist. Mit diesem Zwischen-Finale, dem die beiden Tänzerinnen Sylvia Bartusek und Katja Baum ihren fetzigen Choreographie-Stempel aufdrücken, hat das Stück aber sein Pulver verschossen. Auch weil Bockmayer der großartigen Natascha Balzat kaum Gelegenheit gibt, ihr gesangliches und komödiantisches Können voll zur Geltung zu bringen.
Auf andere Weise schräg geht es in der deutschen Erstaufführung des Off-Broadway-Hits „Thrill Me“ am Dattelner Katielli-Theater zu, dessen wahre Geschichte schon Alfred Hitchcock zu seinem „Cocktail für eine Leiche“ (1948) inspiriert hatte. Unter der stringenten Regie von Nico Rabenald spielen Dominik Schulz und Bernd Julius Arends mit beklemmender Intensität das schwule Mörderpaar Richard Loeb und Nathan Leopold, das im Jahre 1924 in Chicago einen kleinen Jungen ermordet. Hinter der zynischen Idee, ein perfektes Verbrechen zu planen und auszuführen, treten immer mehr die persönlichen Motive um (sexuelle) Abhängigkeit und befürchteten Liebesentzug zutage, die Komponist und Liedtexter Stephen Dolginoff in eindrucksvolle Songs (brillant am Klavier: Jan Wolf) gekleidet hat.
Mehr um Inhalt als um die Show geht es auch in Ralf Buddes Inszenierung von „Anatevka“ am Wuppertaler TiC-Theater. Budde arbeitet mit seiner zehnköpfigen (Laien-)Schauspieltruppe den Humor, aber auch die aktuellen gesellschaftspolitischen Bezüge des vom Leben und der Vertreibung einer kleinen jüdischen Gemeinde im vorrevolutionären Russland handelnden Musicals berührend heraus. Dana Großmanns schwungvolle Choreographien trotzen dabei einfallsreich der engen Spielfläche, genauso wie Stefan Hüfners musikalische Leitung einfühlsam auf die stimmlichen Möglichkeiten des engagierten Ensembles eingeht. Wieder einmal liefert das TiC den Beweis, dass große Broadway-Klassiker auch auf einer kleinen Bühne ihren Reiz entfalten können.
„Puddelrüh durch die Prärie“ I Scala-Theater, Köln I 0221 420 75 93 I www.scala-koeln.de
„Thrill Me“ I Katielli-Theater, Datteln I www.katielli-theater.de
„Anatevka“ I TiC-Theater, Wuppertal I0202 47 22 11 I www.tic-theater.de
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