Wenn man Leonard Bernsteins Definition zugrunde legt, dass ein gutes Musical ein Stück ist, das man auch ohne Musik spielen kann – dann hat das jetzt am Düsseldorfer Capitol-Theater welturaufgeführte „Kein Pardon“ natürlich schlechte Karten. Zumal der begnadete Komödiant Hape Kerkeling, der im gleichnamigen Film 1992 die Hauptrolle spielte, hier nur mit einer „Video-Botschaft“ als beschwipste, reife Dame das Publikum auf die musikalische TV-Satire einstimmt.
Dann gehört seinem Musical-Alter Ego Enrico de Pieri (als Peter Schlönzke) die Bühne. Der ist im elterlichen Schnittchen-Service für die Leberwurstbrote verantwortlich, möchte aber eigentlich ein Fernseh-Star werden. Beim Vorsprechen für die erfolgreiche Sendung „Witzigkeit kennt keine Grenzen" des beliebten Show-Masters Heinz Wäscher (Dirk Bach) fällt er zwar noch durch, arbeitet sich aber als Kabelhilfe und als Assistent im Hasenkostüm an sein Idol heran – und stürzt es schließlich von seinem selbstherrlichen Sockel. Auch Peter entgeht schließlich nicht den unmenschlichen Mechanismen der Branche: Nach abstürzenden Quoten wird er durch ein jüngeres „Gesicht“ ersetzt. Seine schon lange von ihm angebetete Freundin Ulla (Roberta Valentini) und die aus den Augen verlorene Arbeiterfamilie um Mutter (Iris Schumacher), Oma (Verena Plangger) und Opa (Wolfgang Trepper) nehmen ihn happyendlich mit offenen Armen auf.
Wenn der quirlige Kugelblitz Dirk Bach das erste Mal zum vom Publikum begeistert aufgegriffenen Mitklatsch-Lied „Witzigkeit kennt keine Grenzen“ mit nur sechs wohlgeformten Tänzerinnen die etwas mickrige Showtreppe herunterschreitet, wird man gleich aller Illusionen beraubt: Statt großes Musical zu bieten, konzentriert sich die Inszenierung (Alex Balga) mehr auf eine Aneinanderreihung comedyhafter Sketche über die zeitgenössische Medienlandschaft und skurriler Ruhrpott-Typen. Andererseits halten gerade das selbstironische Spiel und die Entertainer-Qualitäten des Dschungelcamp-Protagonisten das Musical auf der Unterhaltungsspur. Großartig seine urkomische Tanzeinlage („Lass Heinz ran“) mit dem gesamten Ensemble. Als dann allerdings Peter seinen Job übernimmt und Heinz bis zum Finale aus dem Geschehen verschwindet, verliert auch das Musical an Fahrt. Einerseits, weil Enrico de Pieri, trotz seiner ausdrucksvolleren Stimme, noch nicht das Charisma von Dirk Bach hat. Andererseits bewegen sich die Songs von Achim Hagemann (Musik) und Thomas Hermanns (Text) doch auf zu unterschiedlichem Niveau, um die Handlung voranzutreiben oder im Ohr hängenzubleiben. Nur wenn sich die von Heribert Feckler fetzig arrangierten Kompositionen dem Swing verschreiben, kommt Schwung ins Geschehen. Die Duette, wie Ulla und Peters „Wild und frei“, kopieren dagegen allzu aufdringlich die „Schrei-Schule“ der gegenwärtigen deutschen Musical-Ausbildung. Ein paar der allzu auf „Reim dich oder ich fress dich“ getrimmten Songs weniger, eine innovativere Choreographie (Natalie Holtom), die auch einmal ein Stepp-Tänzchen wagt – schon käme das von einer überzeugenden Ensemble-Leistung getragene Musical dem Broadway näher als jetzt dem Karneval.
„Kein Pardon“ I Capitol-Theater, Düsseldorf I täglich außer Montag I 0211 734 40
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