Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.580 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Aroa Moreno Durán
Foto: Jairo Vargas Martín

Weibliche Härte

05. August 2024

„Ruths Geheimnis“ von Aroa Moreno Durán – Textwelten 08/24

Zwischen zankenden Kindern gibt es schnell einmal einen Schubser. Aber für den kleinen Matias ist er verhängnisvoll. Das Kind fällt ins Hafenbecken der kleinen baskischen Küstenstadt. Niemand hat ihm das Schwimmen beigebracht und es achtet auch keiner der Erwachsenen auf die Szene. Ein Ereignis, das eine tiefe Wunde in die Familie schlägt und über Generationen die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern beschädigt. Die Spanierin Aroa Moreno Durán richtet in ihrem Roman „Ruths Geheimnis“ den Blick auf drei Frauengenerationen. Der Bogen spannt sich von den 30er-Jahren, der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, über die Franco-Zeit bis in die Gegenwart. Dort erwartet uns Adirane – die sich von Mann und Kind in Madrid eine Auszeit genommen hat – um uns mit in die Kleinstadt im Norden zu nehmen, wo Mutter und Großmutter noch leben.

Eine Konstellation, die auf den ersten Blick nicht sonderlich originell wirkt. Dass sich die Großstadtkinder ihrer ländlichen Wurzeln erinnern, ist ein Sujet, das sich derzeit in der europäischen Romanliteratur großer Beliebtheit erfreut. Aber hier liegt der Fall anders. Die 43-jährige Aroa Moreno Durán streift jegliche gefällige Nostalgie von sich ab. Sie erzählt von den baskischen Familien, unter denen es kaum eine gab, die unter dem Terror der spanischen Faschisten ohne Opfer geblieben wäre. Vor allem die Kinder trafen die Folgen von Armut, Hunger und Gewalt schwer. So kann Großmutter Ruth, deren Vater sein Leben als Gewerkschafter verlor, während der Kriegsjahre zu einer belgischen Pflegefamilie geschleust werden. Nach ihrer Rückkehr ist die Familie jedoch eine andere.

So ergeht es auch Adirane. Wie sie von ihrer Mutter verlassen wurde, wird auch sie ihre Tochter beim Vater zurücklassen. Es ist eine bittere Sprachlosigkeit zwischen den Frauen, die einander nicht verzeihen können. Moreno Durán gewährt uns Einblicke in ihr Inneres. Dort ist der Wunsch nach Nähe und Verzeihen brennend. Doch eingesperrt in den alten Verletzungen können sie sich ihre Gefühle nicht zeigen. Der Plot um die möglicherweise wahren Umstände von Matias Tod wäre nicht nötig gewesen, auch so klebt man geradezu an dieser Prosa, die hart und bildhaft ein weibliches Universum ausleuchtet.

Aroa Moreno Durán: Ruths Geheimnis | Deutsch v. Marianne Gareis | btb | 222 Seiten | 24 Euro

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24

Silvesternacht mit Frankenstein
„Frankenstein Unlimited“ in Remscheid

Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24

ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24

Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24

Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24

Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24

Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24

Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24

Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24

Literatur.

HINWEIS