Das wahrscheinlich größte Problem der Popmusik, zumindest in der schlichten Variante, war schon immer ihr Umgang mit dem Thema Liebe. Und Liebe meint hier nicht die schöne, gelingende Liebe, sondern die dramatisch gescheiterte, die enttäuschte und nun Schmerzen verursachende Variante. Popmusik ist nicht zu denken ohne das als authentisch verkleidete Gejammer über die angeblich grausame Verletzung eines kaltherzigen Gegenübers, das nun alleinverantwortlich gemacht wird für das Leid des bis dato ahnungslos Liebenden.
Die Botschaft ist stets die gleiche: Wer verlässt und zurücklässt, wer nicht ordnungsgemäß zurückliebte, der hat etwas falsch gemacht, der wird – zumindest für die Dauer eines Songs oder eines Films – schuldig gesprochen. Die Rollen sind klar verteilt und werden zum Leid aller in täglich millionenfacher Ausprägung reproduziert.
Dass die Sache mit der Liebe und diesem ganzen Quatsch mit dem eigenen Wollen aber vielleicht doch etwas komplizierter ist, davon erzählen zum Glück der Übrigen dann doch die Ambitionierteren. Das kann in einem Fall so niedergeschlagen und hoffnungslos schön ausgehen wie in der Musik Nick Caves oder in den Filmen Roy Anderssons; es kann aber auch unmittelbar hineinführen in die Feier des Scheiterns, wie es die sensationelle Band Wanda für uns zur Option macht.
Dass das alles vielleicht gar nicht so schlimm ist, vielleicht sogar ganz schön und schick, das Leiden, das Verlassen und Verlassen werden, das Fallen und Kaputtgehen, davon erzählen die fünf Wiener auf ihrem Debutalbum „Amore“ mit allergrößter Leichtigkeit. Wohl noch nie hat ein Song größere Lust darauf gemacht, umgehend eine Beziehung zu beenden, als Wandas „Auseinandergehen ist schwer“. Wer gerade Single ist, möchte sich spontan einen Partner suchen, nur um sich gleich wieder mit hinreißender Lakonie von ihm zu trennen.
So singt die Band von der bedeutenden Sinnlosigkeit des Liebens und Scheiterns, als wäre schon heute klar, dass morgen eh wieder alles gut ist – und natürlich ist es das ja auch, man glaubt’s halt nur so selten und macht erstmal Theater. Doch die Platte sagt es uns: „Es ist egal, / ob die Jelinek in der Zeitung steht oder im Regal.“ Heißt doch nur, solange irgendwer irgendjemanden liebt, und sei es auch nur kurz, geht alles klar. Im Zweifel auch eine Affäre mit der Cousine – ist zwar kompliziert, theoretisch aber eine Option, wie uns der vielleicht größte Song des Albums („Bologna“) in schönster, wienerischer Diktion nahelegt.
Nun sind Wanda auf großer Tour durch Österreich und Deutschland, im Februar geht es nach Köln und Essen. Eine bessere Gelegenheit, gut angezogene, rauchende Männer auf der Bühne zu bewundern, dürfte es kaum mehr geben. Liebt euch, trennt euch, trinkt dabei und raucht viel – alles kann so einfach sein, solange es ernst genug genommen wird. Oder um es mit Wanda zu sagen: „Sagt meinen Mädchen, es war schön. / Sie soll’n sehr langsam traurig sein.“
Wanda | Mi 11.2. 20 Uhr | Hotel Shanghai | Steeler Str. 33, Essen | hotelshanghai.de
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