Der israelische Choreograf Nir de Volff hat mit drei Geflüchteten aus Syrien das Stück „Come as you are“ in Berlin erarbeitet. Das Stück ist am 9. November im Ringlokschuppen in Mülheim an der Ruhr in der Version „Come As You Are #2017“ zu sehen.
De Volff selbst lebt bereits seit einigen Jahren in Berlin, zuvor war er unter anderem bei Jan Pusch, Les Ballets C de la B und Constanza Macras engagiert. Seit er eigene Stücke kreiert, arbeitet er mit einem eigenen Ansatz, Bewegungen zu entwickeln, diesen nennt er „use and abuse“. Mittels bewusster Atmung finden die Tanzenden ihr Zentrum im Brustkorb des Körpers und finden mittels des neuen Bewusstseins auch zu einer neuen Art, sich zu bewegen.
Als 2015 Flüchtlinge nach Berlin kamen, wollte de Volff helfen und bot Tanzkurse an. Schon bald hatte er eine reine Männergruppe, da die körperliche Nähe zwischen Männern und Frauen für Menschen aus anderen kulturellen Hintergründen oft problematisch ist. So lernte er Medhat Aldaabal, Moufak Aldoabl und Amr Karkout aus Syrien kennen. Sie sind ausgebildete Tänzer, dennoch war die Begegnung mit der freien Tanzszene Berlins eine Herausforderung für die drei. Ein Konzept schreiben, eigene Bewegungen entwickeln, all das war Neuland für sie. Für die syrischen Tänzer wird das gemeinsam entstehende Stück zu einem Sinnbild für die eigene Suche nach Orientierung und Halt in einem neuen Land, mit einer fremden Sprache und einer ganz anderen Art zu tanzen. Träume, Hoffnungen und Enttäuschungen werden im Stück erkennbar. Der Tanz hilft bei der Auseinandersetzung mit Traumata, so de Volff. Medhat Aldaabal kam zu Fuß von Griechenland nach Deutschland, alle Tänzer haben den Verlust ihres Heimatlandes zu verkraften. Dennoch wollen sie nicht auf ihre Fluchterfahrung reduziert werden, denn „Come as you are“ ist auch ein Aufbruch in eine andere Arbeitswelt und ist eine unbekannte Ästhetik und eine neue Entwicklung für sie als Künstler.
Das Verhältnis zwischen ihren Herkunftsländern ist für sie nie wirklich Thema gewesen, sagt de Volff, sie begegneten sich als Menschen. Einander wirklich zu begegnen ist derzeit wahrscheinlich das größte Geschenk, das wir uns mittels Kunst machen können.
„Come As You Are #2017“ | Fr 9.11. 20 Uhr | Ringlokschuppen Ruhr | 0208 99 31 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 08/24
Music to go
Eine Operntruppe reist als „Fahrendes Volk“ durchs Land – Klassik an der Ruhr 07/23
Körperlichkeit und Konfrontation
Das Impulse Festival 2018 – Tanz an der Ruhr 06/18
Von Ramoetry bis Bukowski-Rap
Mit den Ramones nach Bochum oder auf einen Whiskey nach Wuppertal – Popkultur in NRW 04/16
Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24
War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24
Supergau?
Die TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24
Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24
Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache – Tanz in NRW 07/24
Vor der Selbstverzwergung
Ausstellung zu den „Goldenen Jahren“ des Tanzes in Köln – Tanz in NRW 06/24
Philosophie statt Nostalgie
Das Circus Dance Festival in Köln – Tanz in NRW 05/24
Das Unsichtbare sichtbar machen
Choreographin Yoshie Shibahara ahnt das Ende nahen – Tanz in NRW 04/24
Tennismatch der Kühe
„Mata Dora“ in Köln und Bonn – Tanz in NRW 03/24
Kommt die Zeit der Uniformen?
Reut Shemesh zeigt politisch relevante Choreographien – Tanz in NRW 02/24
Am Ende ist es Kunst
Mijin Kim bereichert Kölns Tanzszene – Tanz in NRW 01/24
Tanz auf Augenhöhe
„Chora“ in der Tanzfaktur – Tanz in NRW 12/23
Eine Sprache für Objekte
Bundesweites Festival Zeit für Zirkus 2023 – Tanz in NRW 11/23
Die Sprache der Bewegung
Die Comedia lockt das junge Publikum zum Tanz – Tanz in NRW 10/23
Kinshasa und Köln
„absence#4“ im Barnes Crossing – Tanz in NRW 09/23
Tänzerinnen als „bad feminist“
tanz.tausch in Köln – Tanz in NRW 08/23
Den Blick weiten
Internationales Tanz-Netzwerk Studiotrade – Tanz in NRW 07/23
Visionen, Mut und Fleiß
Rund zehn Jahre Kölner Tanzfaktur – Tanz in NRW 06/23
Dialoge der Körper
SoloDuo Tanzfestival in Köln – Tanz in NRW 05/23
Das überraschende Moment
Bühnenbildner miegL und seine Handschrift – Tanz in NRW 04/23
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23