Ulrike Franke (Jhg. ’70) und Michael Loeken (Jgh. ’54) studierten beide Theater,- Film- und Fernsehwissenschaft. Loeken arbeitete zunächst als Tonmeister. Seit 1996 sind beide als Autoren, Regisseure und Produzenten tätig. Mit der Dokumentation „Göttliche Lage“ schließen sie nach „Losers and Winners“ (2006) und „Arbeit Heimat Opel“ (2012) ihre Trilogie über den Strukturwandel im Ruhrgebiet ab.
engels: Herr Loeken, wann und wie haben Sie von dem Projekt des Phoenix-Sees erfahren bzw. entschieden, dass das Thema ein Film sein kann?
Michael Loeken: Wir drehen seit längerer Zeit Filme im Ruhrgebiet und beschäftigen uns intensiv mit den Menschen und der Landschaft, in der sie leben. Eine unglaublich spannende Region, in der die Menschen aufgrund des Strukturwandels, Deindustrialisierung etc. vor riesige Probleme und Herausforderungen gestellt werden.
Indem uns die Menschen in unseren Filmen an ihrem Leben teilhaben lassen, wird etwas über den Zustand unserer Gesellschaft deutlich. „Göttliche Lage“ hat schon eine weit fortgeschrittene Etappe des Strukturwandels zum Thema. Es gibt keine Schwerindustrie mehr in Dortmund, aber wie leben wir, was kennzeichnet diesen Zustand, in gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht?
Sie enthalten sich im Film eines direkten Kommentars. Dennoch scheinen in der Montage Sympathien durch...
Sowohl auf der Bild- als auch auf der Tonebene beziehen wir Stellung: Die Montage spiegelt unsere Haltung wieder, sie macht deutlich, was wir wichtig, interessant, traurig, humorvoll und zukunftsweisend finden. Zugegeben haben wir mehr Fragen als Antworten, aber das verbindet uns mit den Protagonisten und hoffentlich auch mit den Zuschauern.
Gab es auf Seiten der Phoenix-Entwicklungsgesellschaft keine Befürchtungen, Sie würden mit ihrem Film einseitig Gentrifizierungskritik üben?
Wir haben bei unseren Dreharbeiten jede Unterstützung durch die Entwicklungsgesellschaft bekommen, obwohl wir von Anfang an klar gemacht haben, dass wir keinen Werbe- oder Imagefilm drehen werden. Die Gesellschaft kannte auch „Losers and Winners“, der zum Beginn des Projektes über den Phoenix-See gerade den Grimme-Preis bekommen hatte. Sie kannten unsere Herangehensweise und haben uns wie auch alle anderen Mitwirkenden und Protagonisten ihr Vertrauen geschenkt, wofür wir sehr dankbar sind.
Die Probleme, die der Phoenix-See aufwirft, deuten sich am Ende an. Haben sie seitdem die Entwicklung vor Ort beobachtet? Ist eine Fortsetzung zum Film denkbar?
Mit Sicherheit spielen wir mit dem Gedanken an eine Fortsetzung. Das Projekt Phoenix-See ist gigantisch und in vielerlei Hinsicht noch lange nicht abgeschlossen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob der Phoenix-See nur ein Investitionsobjekt war oder ob man einen demokratischen, gemeinschaftlichen, sozialen Ort geschaffen hat, der sich durch unterschiedliche Bewohner, durch Vielfalt und durch Zusammenleben auszeichnet – dass, was die Städte ja ausmacht. Ich denke, dass wir filmisch da dran bleiben.
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