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Katharina Marie Schubert
Foto: Jeanne Degraa

„Diese Generationenkonflikte kennen viele“

25. Januar 2022

Katharina Marie Schubert über „Das Mädchen mit den goldenen Händen“ – Gespräch zum Film 02/22

Katharina Marie Schubert stand nach ihrem Schauspielstudium am Wiener Max-Reinhardt-Seminar direkt auf renommierten Bühnen wie dem Wiener Burgtheater und den Münchner Kammerspielen. Mit „Das Mädchen mit den goldenen Händen“ hat sie nun ihr Kinolangfilmdebüt inszeniert.

engels: Frau Schubert, man kennt Sie schon seit rund 20 Jahren als Schauspielerin. Was hat Sie nun dazu bewogen, Ihr Langfilmdebüt zu inszenieren und die Seiten zu wechseln?

Katharina Marie Schubert: Das ist mein erster Langfilm, aber ich habe davor schon zwei mittellange Filme gemacht. Die hatten einen kleinen, schönen Erfolg und deswegen war mir klar, dass dann irgendwann der nächste Schritt folgen musste, was nun „Das Mädchen mit den goldenen Händen“ geworden ist. Schon als Schauspielerin am Theater hatte ich gemerkt, dass ich mich immer für das Gesamte fast mehr interessiere, also mich nicht so sehr auf meine eigene Rolle konzentriere, was ja eigentlich die Aufgabe eines Schauspielers oder einer Schauspielerin ist. Ich habe mich schon immer auch für die Dramaturgie interessiert: Was ist die Funktion meiner Rolle? Wie kann ich andere Leute unterstützen? Wie erzählt man am besten, was man erzählen möchte? Dabei habe ich festgestellt, dass es mich auch sehr interessiert, den anderen zuzuschauen, sie bei ihrem Schauspiel zu beobachten. Und dann hatte ich den Drang, mal auszuprobieren, ob ich auch wirklich selbst inszenieren kann. In meinen ersten beiden, mittellangen Filmen habe ich alles alleine organisiert und bezahlt und auch selbst mitgespielt, weil sich das einfach anbot. Nachdem ich damit erfolgreich war, musste ich einfach weitermachen, weil es mir so große Freude gemacht hat.

Etliche Charaktereigenschaften Gudruns passen sehr gut zu Corinna Harfouchs Leinwand-Image. Hatten Sie sie bereits als Darstellerin im Sinn, als Sie das Drehbuch geschrieben haben?

Nicht von Anfang an. Aber ich habe mit Corinna mal ein Theaterstück geprobt, und am Ende der Probenzeit dachte ich, sie wäre für die Rolle perfekt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mit dem Drehbuch bereits begonnen, es war aber noch nicht fertig. Ohne die Zusammenarbeit hätte ich mich vielleicht auch gar nicht getraut, sie überhaupt zu fragen.

Gudrun ist sehr selbstbestimmt, aber auch herrisch und unverstanden, zum Beispiel in ihrer Beziehung zu ihrer Tochter. Gab es für die Rolle konkrete Vorbilder?

Mich interessierte an der Figur vor allen Dingen der Generationenkonflikt, den sie mit ihrer Tochter hat. Dass man sich beim Älterwerden in seinen Ansichten versteift, weniger offen ist und stets moniert, dass früher alles besser war. Ich glaube, dieses Phänomen gibt es in jeder Generation, ganz egal, wie das politisch gelagert war. Zudem gehört Gudrun ja einer Generation an, die im Krieg geboren und aufgewachsen ist. Über diese Generation wird selten gesprochen, obwohl sie sicherlich auch viel Schreckliches erlebt hat. Ich finde aber wichtig, da hinzusehen, weil das immer noch unsere Gesellschaft bestimmt, die Nazizeit und das Erbe der Nazis. Das ist nicht einfach zufällig da. Gudruns Tochter Lara ist gänzlich anders aufgewachsen und kann dementsprechend ganz anders fühlen. Ihre Sensibilität wird von ihrer Mutter aber als Schwäche ausgelegt. Das fand ich auf exemplarische Weise interessant für die deutsche Geschichte, weil diese Generationenkonflikte sicherlich viele kennen dürften.

Dass Ihr Film 1999 spielt, muss man sich als Zuschauer aus der Handlung erschließen. Es gibt keine Einblendung dazu. War das eine bewusste Entscheidung, um den Zuschauer aus der Reserve zu locken und zum Nachdenken anzuregen?

Mich schockiert am deutschen Fernsehen immer wieder, wie wenig dem Zuschauer zugetraut wird, aber auch, wie wenig von ihm verlangt wird. Alles wird fünfmal ausgesprochen und durch Musikeinsatz und Nahaufnahmen unterstrichen. Man muss nie selbst fühlen, in sich horchen oder entscheiden. Der mündige Bürger oder Zuschauer wird gar nicht gefordert, und das nervt mich total. Mein Spaß beim Filmeschauen ist es, selbst etwas herauszufinden, eine Art detektivische Arbeit zu leisten. Ich möchte als mündige Zuschauerin die Dinge selbst entdecken dürfen.

Ebenfalls nur angedeutet werden die motivischen Verwebungen mit dem Märchen der Gebrüder Grimm – „Das Mädchen ohne Hände“. Was hat Sie an dieser Geschichte besonders fasziniert?

Deutschland ist ein Land, in dem Märchen eine ganz besondere Rolle spielen. In der DDR waren Märchen und Sagen sehr beliebt, um politische Dinge zu transportieren oder Kritik, die schwer zensiert werden konnte, äußern zu können. Die Geschichte konkret lese ich auch als Metapher auf den Osten, dem man die Handlungsfähigkeit genommen hat, indem man ihm die Hände abgeschlagen hat. Diese hat man dann durch goldene Hände ersetzt, also quasi durch den Kapitalismus stillgelegt. Die müssen wieder wachsen, wieder heile werden. Und last but not least ist es für Lara die schönste Kindheitserinnerung, dass ihr ihre Mutter Märchen vorgelesen hat. Dieses Gefühl kennen sicherlich auch viele aus ihrer eigenen Kindheit. Gudrun liest aber ausgerechnet „Das Mädchen ohne Hände“ vor, das eher eines der unbekannten Grimm-Märchen ist, und das in vielen Märchensammlungen fehlt, weil es so grausam ist.

Sehr gelungen, aber auch irritierend, ist die aufgezwungene Sexszene zwischen Gudrun und Jens. Ist das Ihr Kommentar zur MeToo-Debatte mit umgekehrten Vorzeichen?

Die Ideen zu meinem Buch sind schon älter als die MeToo-Debatte, deswegen würde ich das nicht sagen. Aber es ist tatsächlich ungewöhnlich, dass eine Frau ganz offensiv sagt, dass sie weiß, was der Mann eigentlich von ihr will, und diesen Ablauf einer Verführung durch Klarheit abkürzt. Für das Kinderheim ist sie bereit, mit Jens ins Bett zu gehen, und sagt ihm das ganz selbstbewusst. Andererseits sagt die Szene auch viel darüber aus, was Gudrun über Männer denkt. Sie hat ein schreckliches Bild davon, was Männer angeblich wollen. Das gibt, wenn man möchte, wieder Aufschluss darüber, warum sie Lara nie erzählt hat, wer ihr Vater ist – weil sie vielleicht eine solche Übergriffigkeit erlebt hat. Der Mann, den Lara dann kennenlernt, ist ja tatsächlich auch sofort damit beschäftigt, sie auf eine gewisse Weise anzubaggern. Insofern wiederholt sich das dann schon irgendwie, denn das, was Gudrun denkt, was Männer wollen, erfährt Lara in vergleichbarer Form. Auf diese etwas kompliziert-psychologische Weise hängt das alles miteinander zusammen. Aber mir hat es auch gefallen, dass sich Gudrun offensiv an Jens heranmacht und damit in die Tat umsetzt, was jahrelang zwischen den beiden geschwelt hat.

Interview: Frank Brenner

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