Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Uwe Steimle
courtesy Comedia Köln

Denken sie, wie sie sprechen?

03. Juni 2014

Uwe Steimle brilliert beim Kölner Streithähne-Festival mit politischem Kabarett

Schon der Titel „Heimatstunde“ lässt Böses ahnen. Eigentlich ein schönes Wort, und weil es unübersetzbar ist, benutzen es etwa die Amerikaner im deutschen Original. Aber Heimat ist ja nicht nur kuschelig, sie verbindet sich gleich mit Vergangenheit und Geschichte, und dann ist es in Deutschland gar nicht mehr schön. Uwe Steimle – der „Zauberer von Ost“, wie er sich selbst nennt – macht die Nagelprobe, indem er Songs der Heimat anstimmt, und sofort kommt im Saal der Comedia in Köln das Echo aus den Zuschauerreihen. Nicht nur von der unbefleckten Natur sondern auch von der Einheitspartei und dem Kolonialismus wird gesungen, aber das scheint kaum jemandem im nostalgisch verklärten Gesumme aufzufallen.

Wir denken uns halt nichts dabei. Man muss nicht hinter allem was vermuten, ist ja furchtbar, diese Wortklauberei. Aber genau da hakt Uwe Steimle ein, er schaut den Politikern aufs Maul und wundert sich im Übrigen, wieso das „4. Kölner Festival des politischen Kabaretts“ – in dessen Rahmen er auftritt – die Bezeichnung „politisch“ braucht. „Gibt es auch unpolitisches Kabarett?“, fragt Steimle. Aber lustig sind nicht nur die Kabarettisten, die Repräsentanten der „GroKo“ (von Steimle als „Großes Kotzen“ übersetzt) sondern auch erstaunliche Bemerkungen ab, die offenbar alle überhören. Wenn Außenminister Steinmeier zum Beispiel beteuert, dass es von deutscher Seite „keine militärische Intervention in Russland geben wird“? Oder wenn der Vizekanzler Gabriel davon spricht, „dass der Aufschwung planmäßig vonstattengeht“? Dazu passen die Worte von Kanzlerin Merkel, die von der „unverbrüchlichen Freundschaft“ zu den USA spricht.

Uwe Steimle besitzt ein gutes Ohr und vor allem ein Erinnerungsvermögen für jene Zeiten, in denen man solche Formulierungen in der DDR täglich eingebleut bekam. War Angela Merkel nicht auch als Führungsmitglied der FDJ zuständig für den Propagandabereich? Uwe Steimle zeigt in seinem Programm, wie eng die Gegenwart an jene Vergangenheit gekoppelt ist, die in West und Ost nur zu gerne vergessen wird. Gerade für das Publikum im Westen ist es faszinierend, ihm zu folgen, weil er zeigt, dass die Realität der DDR in manchen Bereichen ganz anders funktionierte, als sie nach der „Kehre“ – wie er sagt – immer kolportiert wurde. Steimle bietet ein politisch scharfsinniges Programm, das Analyse mit Witz verbindet und manchmal fällt er sogar aus der Rolle des Kabarettisten heraus und wird privat. Das sind die Momente, in denen man spürt, wie viel ihm das kritische Denken bedeutet und dass es im Kabarett auch nach Dieter Hildebrandts Tod noch eine Zukunft besitzt.

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Grämlich, Bissig, Virtuos
Wilfried Schmickler im Kulturzentrum Immanuel

Reizen und ausreizen
Comedienne Maria Clara Groppler im Kontakthof

Nicht intellektuell – gut so!
Derber Stand-Up mit David Grashoff im Kontakthof

Lachen gegen moderne Zumutungen
Beim „Mirker Kultursommer“: Simon und Jan

Der Titan als Mensch
Konrad Beikircher: Beethoven – dat dat dat darf!

Malmen, lehren, Kinder kriegen
Grimmbart Malmsheimer zum Thema Familie.

Kein Schülerstreich, kein Welpenschutz
„Wir schaffen das – WILLKOMMEN ab“ – „Kabarettungsdienst“ mit Jubiläumsprogramm

Im Liegen Wundern begegnen
Willkommen in der Welt der Stars mit Neuem aus ihrem Universum – Prolog 12/16

Ein Mann, eine Gitarre und ein Zelt
El Mago Masin zu Gast im Kontakthof

Schüssler Salze und Wellness-Painting
Eine Parodie auf den Gesundheitswahn

Zwischen Kinski und Rucola
Martin Zingsheim zu Gast in der Bandfabrik

Theater.

HINWEIS