Mit seinen 29 Jahren noch ein ziemlicher Jungspund, kann Martin Zingsheim doch mühelos mit den ganz Großen des Genres mithalten und beweist, dass Alter nicht unbedingt gleich Können sein muss. Im Anzug und mit korrekt sitzender Frisur erweckt Zingsheim zunächst den Eindruck eines steifen und seriösen Versicherungsvertreters. Ein Eindruck, der sich binnen Sekunden in Nichts auflöst. In der Bandfabrik Wuppertal präsentiert der Kabarettist und Musiker sein erstes und bereits vielgelobtes Soloprogramm „OPUS MEINS“ als rhetorischen Rundumschlag.
Wie bei einer Achterbahnfahrt geht es ständig hin- und her zwischen laut und leise, energisch und besonnen. Die wenigen ernsten Momente, die gelegentlich herausschimmern, wie das Lied über die sozialen und politischen Missstände in Afrika, werden sogleich von einer ordentlichen Portion Zynismus überrollt: „Wir sind immer noch beim Kabarett, da nervt so ein emotionaler Scheiß.“ Überhaupt ist nie so recht klar, wohin der Weg eigentlich geht, einen roten Faden gibt es nicht, aber genau das macht die Sache auch so spannend.
Neben einer Definition von Liebe, die Zingsheim übrigens mit Entführung gleichsetzt, spielt er „Gitarrensoli“ auf seiner „ostdeutschen Gitarre“ und leistet so seinen „Beitrag zum Aufbau Ost.“ Dem aktuellen Bio-Hype begegnet er gelassen und plant stattdessen selbst die Eröffnung eines völlig überteuerten Bioladens in Köln, zusammen mit Kumpel Karlheinz, und widmet das folgende Lied den „pseudo-intellektuellen Besserverdienern der Generation Rucola.“ Zwischendurch hält er immer wieder inne, um in aller Ruhe und mehr zu sich selbst, „ach ja“ und „schön“ zu säuseln. Diese Besinnlichkeit ist allerdings nur von kurzer Dauer, denn gleich darauf folgt eine Parodie der Oper „Carmen“ unter vollem Körpereinsatz am Klavier, oder ein Beschwerdebrief von Beethoven und Mozart, denen es gehörig auf die Nerven geht, dass ihre Musik zur Beschallung von Supermärkten missbraucht wird. Bereits hier zeigt sich Zingsheims Talent für wechselnde Stimmen und Dialekte.
Ein Liebeslied: Die esoterische Erika. Foto: Karin EngelsAllerdings ist ihm auch wichtig, etwaige Missverständnisse zu beseitigen und so begrüßt er sein Publikum nach der Pause mit den Worten: „Willkommen zum 2. Teil. Diesen spiele ich traditionell immer nach dem 1. Gibt es Fragen?“
Makabere Äußerungen wie die über unseren Außenminister Guido Westerwelle, der viel zu gesund lebe und lieber mal einen Fallschirmsprung wagen solle, werden mit einem einnehmenden Zahnpastalächeln vorgetragen, bevor die eigens ausgedachte „performance“ am Klavier präsentiert wird. Dabei wirft Zingsheim theatralisch den Kopf in den Nacken und erzählt beiläufig, sein Berater habe ihm den Tipp gegeben. Und so wird ein Song nach dem anderen gesungen, z.B. „Die esoterische Erika“ oder auch das leiseste Lied der Welt, „I love you, you´re perfect, now change.“ Ein wenig beängstigend, aber nicht minder unterhaltsam als der Rest, ist die als Zugabe gedachte Weihnachtsgeschichte, die Zingsheim als Klaus Kinski, Marcel Reich Ranicki und Herbert Grönemeyer vorträgt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Reizen und ausreizen
Comedienne Maria Clara Groppler im Kontakthof
Nicht intellektuell – gut so!
Derber Stand-Up mit David Grashoff im Kontakthof
Lachen gegen moderne Zumutungen
Beim „Mirker Kultursommer“: Simon und Jan
Der Titan als Mensch
Konrad Beikircher: Beethoven – dat dat dat darf!
Malmen, lehren, Kinder kriegen
Grimmbart Malmsheimer zum Thema Familie.
Kein Schülerstreich, kein Welpenschutz
„Wir schaffen das – WILLKOMMEN ab“ – „Kabarettungsdienst“ mit Jubiläumsprogramm
Im Liegen Wundern begegnen
Willkommen in der Welt der Stars mit Neuem aus ihrem Universum – Prolog 12/16
Denken sie, wie sie sprechen?
Uwe Steimle brilliert beim Kölner Streithähne-Festival mit politischem Kabarett
Ein Mann, eine Gitarre und ein Zelt
El Mago Masin zu Gast im Kontakthof
Schüssler Salze und Wellness-Painting
Eine Parodie auf den Gesundheitswahn
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24
Wie geht Geld?
„Alles Money, oder was? – Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“ von Christine Bortenlänger und Franz-Josef Leven – Vorlesung 09/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24
Zerstörung eines Paradieses
„Wie ein wilder Gott“ von Gianfranco Calligarich – Literatur 09/24