Sie hat erschreckende Ausmaße angenommen und hängt jedem potentiellen Nachfolger als Drohung vor der Nase: Die Messlatte des Dr. Frank Hoffmann. Seit Jahren werden die Zuschauerzahlen der Ruhrfestspiele wie Monstranzen des Erfolgs vorgezeigt. Und man wird nie so ganz das Gefühl des Einschaltquotenfetischismus los, wenn auf dem Grünen Hügel in Recklinghausen die Bilanzpressekonferenz der abgelaufenen Festspiele abgehalten wird. Die Zahl der Besucher hat sich seit Hoffmanns Dienstantritt auf 80.000 nahezu vervierfacht. Dass sie in den letzten Jahren stagniert, hat schlicht mit den begrenzten Kapazitäten der Spielstätten und der Anzahl der Produktionen und nicht mit nachlassender Nachfrage zu tun.
Dass der gebürtige Luxemburger irgendwann aufhören würde, war abzusehen. Sonst würde die Leitung der Ruhrfestspiele zum Lebensjob werden. Die Begründung für den Rückzug klingt allerdings etwas zu ruhrgebietskompatibel: „Das Ende des Steinkohlebergbaus im Jahr 2018 bedeutet auch eine wichtige Zäsur in der Geschichte der Ruhrfestspiele. Deshalb ist es auch für mich persönlich der richtige Zeitpunkt, nach 14 großartigen Jahren einen Schnitt zu machen und zu neuen Horizonten aufzubrechen.“ Das schmeichelt der Ruhrgebietsseele. Aber die Entstehungsgeschichte des Festivals von den Theaterleuten aus Hamburg, die Kumpels im Winter 1946 um Kohle baten und als Gegenleistung im Jahr drauf mit Kunst in Recklinghausen bezahlten, ist längst zu einer mythischen Erzählung geronnen. Der Gegenwart hält sie nicht mehr stand. Und dem Steinkohlebergbau des Jahres 2017 auch nicht. Die Ruhrfestspiele sind seit Jahren ein etabliertes Kulturfestival, das unter Frank Hoffmann ein möglichst breites Spektrum abzudecken versucht und neben theatraler Hochkultur auch vor Kabarett, Zirkus, Chanson, Liedermachern oder Bands nicht zurückschreckt.
Mit der Ausweitung des Programms wurden die einzelnen Sparten zunehmend in Nischen oder Festivals im Festival geordnet. Wie die Lesungen zum Beispiel. Oder das Fringe Festival mit Theaterformen an den Übergängen zum Straßentheater, zur Kleinkunst, zum Zirkus. Dann gab es das Festival der Uraufführungen, für das Hoffmann sich als Koproduktionspartner große und mittlere Häuser quer durch die Republik ins Boot geholt hat und deren Eröffnungen der kommenden Spielzeit schon mal vorab beim Festival zeigte. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Schließlich bekamen darüber auch einzelne Spielstätten ein eigenes Profil. So die Zeche Ludwig als Ort der Uraufführungen oder das große Haus als Heimstatt großer mit Stars bestückter Produktionen, ob sie nun aus München oder Paris stammten. Dass Hoffmanns eigene Produktionen darüber als konventionell und bieder ins Hintertreffen gerieten, nahm der Intendant darüber billigend in Kauf. Frank Hoffmann wird 2018 nicht nur der dienstälteste Festivalleiter in NRW sein, sondern auch derjenige, der die Ruhrfestspiele am längsten geleitet hat.
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