Peter Liechti, 1951 in St. Gallen geboren, hat Kunstgeschichte und Kunst studiert. Seit 1986 arbeitet er als Regisseur, Drehbuchautor, Kameramann und Produzent für fast ausschließlich Dokumentarfilme. „Vaters Garten“ ist sein siebter Langfilm.
Herr Liechti, können Sie sich an den ersten Impuls erinnern, der Sie dazu brachte, einen Film über ihre Eltern zu machen?
Das war eigentlich die Idee eines Freundes ... Doch dadurch ist mir klar geworden, wie wenig Zeit in meinem Fall noch bliebe, um ein solches Projekt anzugehen. Meine Eltern sind schon fast Neunzig, also war es höchste Zeit. Im Übrigen glaube ich, dass diese Art von Familienbildnis ein eigenes Genre bildet, nicht nur im Film, und dass jeder Künstler irgendwann in seinem Leben damit konfrontiert ist.
Hatten Sie anfangs ein mögliches Ergebnis im Kopf? Haben Sie sich bei den Eltern eventuell mehr Selbsterkenntnis und -reflexion erhofft?
Ich versuche, am Anfang eines Projekts möglichst offen zu sein und nicht zu sehr auf ein bestimmtes Ergebnis zu fokussieren. Ich will mich ja auch überraschen lassen – und ich bin tatsächlich überrascht worden, im positiven Sinn. Meine Eltern waren viel zugänglicher und ehrlicher, als ich es mir erhofft hatte. Es herrschte ein Klima des gegenseitigen Vertrauens während des Drehs. Selbsterkenntnis hatte ich mir bei den Eltern keine erhofft, hingegen bei mir schon. Tatsächlich glaube ich, dass mir durch die Arbeit an diesem Film einiges klar geworden ist.
Sie scheinen weder die Eltern vorführen noch sie beschönigen zu wollen. Gab es ein Konzept, um die Balance zwischen den beiden Polen der Annäherung zu bewahren?
Diese Balance zu finden war vor allem unsere Aufgabe während des Schnitts. Wir mussten unbedingt verhindern, dass der eine von beiden Elternteilen zu viel an Empathie verliert gegenüber dem anderen, dass sie auch nie vorgeführt oder bloßgestellt werden. Die Zusammenarbeit mit meiner Cutterin war entscheidend wichtig.
Ihre aufgestaute Wut verbergen Sie vor den Eltern und reagieren sie nur als Puppe ab, unterlegt von Noiseattacken. Wie haben Ihre Eltern im Nachhinein auf diese aggressiven Puppenszenen reagiert?
Meine Eltern haben überhaupt nicht reagiert auf diese Attacken. Vielleicht waren sie ihnen noch zu vertraut aus der Vergangenheit? Vielleicht waren sie beim Anschauen des Films auch viel zu sehr mit ihrem eigenen Bild beschäftigt, mit dem, was sie selbst zur Sprache bringen respektive was sie von ihrem Ehepartner zu hören/sehen bekommen.
Wie haben die Eltern insgesamt den Film wahrgenommen? Fühlten sie sich nicht doch vorgeführt?
Beide waren sehr erleichtert, als sie den fertigen Film zum ersten Mal zu sehen bekamen – in einer Sondervorführung in einem gemieteten Kino mit ausschließlich Familie und engen MitarbeiterInnen. Mutter sagte, sie hätte sich gefürchtet vor dem Resultat, doch es sei ein sehr feinfühliger Film geworden. Und Vater war offensichtlich zufrieden mit der Art, wie sein Garten und er selbst, vor allem als Hase, ins Bild kamen. Er wollte unbedingt als Hase aufs Poster – und nicht mit seinem eigenen Gesicht.
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