Es gibt Städte, die müssen auf die Couch. Sollte jemals ein Historiker die Geschichte der Stadt Bonn seit dem Wegzug der Bundesregierung 1999 schreiben, kommt er um ein Psychogramm nicht herum. Geltungsbedürfnis paarte sich mit Verlustängsten, Statusprobleme mit Orientierungslosigkeit, Selbsterkenntnis mit Fahrigkeit. Eine Anamnese würde auf reichhaltiges Material stoßen: vom Debakel um das Kongresszentrum WCCB über das gescheiterte Festspielhaus, die missglückte Sanierung der Beethovenhalle zum Beethoven-Jubiläum 2020 und vor allem der vogelwilde Umgang mit dem Theater der Stadt. Selten hat eine Kommune ihre Künstler derart wild vor sich hergetrieben und bloßgestellt.
Derzeit debattieren Politik und Verwaltung, wo das Theater weiter einsparen kann und ob eine Sanierung des Hauses an der Kennedybrücke oder ein Neubau für die Stadt billiger käme. Die Allzweckwaffe in der deutschen Kulturlandschaft für solche Fragen ist die Beratungsgesellschaft actori mit Sitz in München. Sie erarbeitet für die Stadt Bonn derzeit eine zweistufige Untersuchung, die zunächst die Einsparmöglichkeiten des Theaters untersuchen und später Vorschläge für die „Zukunft des Bonner Kulturangebots“ erarbeiten soll. Politik und Verwaltung in Bonn träumen einen absurden Traum: Das Theater soll sparen, ohne an Qualität und Quantität des Vorstellungsangebots zu verlieren. Actori kam in der ersten Stufe der Untersuchung die perfide Aufgabe zu, Einsparpotentiale zu benennen.
Doch die im März vorgestellten Ergebnisse der ersten Untersuchungsphase entlarven die Träume als das, was sind. Danach liegt das Theater Bonn nicht nur bei den Gesamtaufwendungen 14 Prozent unter dem Durchschnitt vergleichbarer Häuser. Auch der Gesamtetat ist mit 29,2 Mio. Euro um sogar um 16 Prozent niedriger als vergleichbare Bühnen in Aachen, Braunschweig oder Mannheim. Bernhard Helmich sieht sich in seinem Kurs bestätigt: „Das freut mich sehr.“ Dass das Theater allerdings bei den Besucherzahlen um ein Viertel unter dem Durschnitt liege, habe zwei Gründe: Das enorme Kulturangebot der Stadt und die nicht vorhandene Kinder- und Jugendtheatersparte im Theater. Stichwort: Weihnachtsmärchen.
Die Empfehlungen von actori lauten: Keine Einsparungen, sondern ca. 250 000 Euro pro Jahr zusätzlich für ein besseres Marketing und Fundraising, um somit Erträge in Höhe von 624 000 Euro zu erzielen. Dazu muss man den Intendanten nicht lange bitten. Auch er wünscht sich mehr Mittel fürs Marketing, aber auch endlich mehr Ruhe, anstatt immer neue Spardebatten. „Danach sieht es nicht aus“, so Helmich trocken. Die Hoffnung auf ein erhöhtes Fundraising sieht er nach der gescheiterten Initiative für ein Festspielhaus ebenfalls skeptisch: „Da hat es viele gegeben, die sich engagieren wollten und die jetzt frustriert sind.“ Außerdem habe die Stadt lange die Besucher des Theaters in die Ecke gedrängt. Die Reaktion von Politik und Verwaltung auf den Vorschlag von actori steht noch aus. Auf einen Schub an therapeutischer Selbsterkenntnis sollte man aber nicht hoffen.
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