Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Der Schweizer Komponist Othmar Schoeck
Zeichnung: Hermann Burte (Ausschnitt) / CC BY-SA 3.0

Kampf der Geschlechter

02. November 2017

Othmar Schoecks Kleist-Oper „Penthesilea“ – Opernzeit 11/17

Penthesilea und Achilles stehen sich im Kampf um Troja gegenüber: Sie ist Anführerin des Heeres der Amazonen, jener jungfräulichen Kriegerinnen, die sich auf dem Schlachtfeld den unterlegenen Gegner zwecks Zeugung des Nachwuches erwählen. Nach der Vereinigung entlassen die Kriegerinnen die Besiegten in ihre Heimat und gehen keine weitere Bindung mit ihnen ein, so will es das Gesetz des Amazonenstaates – ein Zusammenschluss emanzipierter Frauen also, denen ihre Autonomie höchstes Anliegen ist.

Achilles seinerseits ist Anführer der Griechen, ein listenreicher Eroberer, der mit seinem Heer die Amazonen schlägt und sich in Penthesilea verliebt. Damit er sie für sich gewinnen kann, gibt er vor, der Unterlegene zu sein, ihr Heer habe das seine besiegt, die Niederlage der Amazonen sei nur ein schlechter Traum von Penthesilea, nachdem sie während des Kampfgeschehens in Ohnmacht gefallen sei. Allzugerne schenkt die stolze Kriegerin Achilles Glauben und gesteht – entgegen dem Gesetz der Amazonen – dass sie sich schon auf dem Schlachtfeld in ihn verliebt habe. Später ermöglicht sie ihm sogar die Flucht, als das Kriegsgeschehen sich doch noch für die Amazonen zum Positiven wendet. Damit wird sie zur Verräterin und verliert ihre Führungsposition. Achill fordert sie erneut zum Zweikampf, will sich aber diesmal von ihr besiegen lassen. Nicht wissend von seiner Absicht fühlt Penthesilea sich und ihre Liebe verraten und nimmt mörderische Rache.

Othmar Schoeck stellt in seiner 90 Minuten langen Oper  das Scheitern zweier Liebender in den Mittelpunkt, die in ihren vorgegebenen Geschlechterrollen gefangen sind. Der Liebeskonflikt entzündet sich an dem Selbstverständnis der beiden Protagonisten: Eine emanzipierte, kämpferische Frau trifft auf einen klassischen Eroberer, beide fühlen sich zueinander hingezogen und scheitern letztendlich an ihrem unterschiedlichen Rollenverständnis von Mann und Frau. Kleists Worte bilden dabei für Schoeck die eigentliche Melodie des Werkes, denen die Musik lediglich Harmonie und Rhythmus hinzufügt. Der überwiegend rezitativisch deklamatorische Gesang erreicht eine hohe Wortverständlichkeit, wozu die Wahl der tiefen Stimmfächer für die Hauptpartien kommt: Die konsonantenreiche Sprache Kleists verlangt entgegen der Opernkonvention nicht nach einem Sopran und Tenor, sondern nach einem Mezzosopran und Bariton. Die dominierenden Bläser des Orchestersatzes, darunter zehn (!) Klarinetten sowie das reiche Schlaginstrumentarium vermitteln ein dunkel metallisches, „bronzenes“ Klangbild.

In der Weimarer Republik, der Entstehungszeit der Oper, war das Aufbrechen erstarrter gesellschaftlicher Strukturen und die Emanzipation der Frau ein hochaktuelles Thema: Viele Frauen suchten (zumindest in den Großstädten) nach neuen Geschlechtsidentitäten und -rollen jenseits der männlichen Zuweisungen und probierten sich in neuen Formen des Zusammenlebens aus. Manche suchten die Emanzipation von der klassischen Frauenrolle in der Vermännlichung, also der Negierung der eigenen Weiblichkeit – vergleichbar den Amazonen der griechischen Mythologie, die sich als Bogenschützinnen die rechte Brust amputierten. Schoecks Oper wirft Fragen zum Geschlechterverständnis auf, die auch heute nichts an ihrer Aktualität verloren haben.

Wo zu sehen in NRW?
Oper Bonn | 12.11., 2.12., 14.12. je 19.30 Uhr, 19.11. 18 Uhr | 0228 77 80 08

Kerstin Maria Pöhler

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

„Wir haben uns künstlerische Freiheiten genommen“
Intendantin Rebekah Rota inszeniert „Von Thalia geküsst“ an der Wuppertaler Oper – Premiere 12/24

Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24

Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

Schäferwagen und Hexenhaus
„Hänsel und Gretel“ am Opernhaus Wuppertal – Auftritt 11/24

Ohne Firlefanz
Premiere von „Salome“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 10/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

Ethel Smyth und Arnold Schönberg verzahnt
„Erwartung / Der Wald“ im Wuppertaler Opernhaus – Auftritt 05/24

Oper.

HINWEIS