Die leisen und die großen Töne
Frankreich 2024, Laufzeit: 103 Min., FSK 0
Regie: Emmanuel Courcol
Darsteller: Benjamin Lavernhe, Pierre Lottin, Sarah Suco
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Tragikomödie voller Musik und berührender Menschlichkeit
Die heilende Kraft der Musik
„Die leisen und die großen Töne“ von Emmanuel Courcol
Schon einmal stand Ravels „Bolero“ im Mittelpunkt eines Films: In Claude Lelouchs Meisterwerk „Ein jeglicher wird seinen Lohn empfangen“ (1981) diente es im Finale als Metapher einer gemeinsamen Sprache vierer Künstlerschicksale in Paris, Berlin, Moskau und New York zwischen 1936 und 1980. Auch Mark Hermans Film über eine englische Bergmannskapelle („Brassed off – Mit Pauken und Trompeten“, 1996) kommt einem in den Sinn, wenn man nun Emmanuel Courcols „Die leisen und die großen Töne“ sieht. Es ist die dritte Regiearbeit Courcols, der jahrelang als Drehbuchautor mit Philippe Lloret (u.a. „Die Frau des Leuchtturmwärters“) zusammengearbeitet und bewiesen hat, dass er es meisterlich versteht, menschliche und gesellschaftliche Probleme mit einer nie ins Oberflächliche abrutschenden Leichtigkeit zu zeichnen.
Allerdings muss man zu Beginn des Films erst einen ,Schlag in die Magengrube‘ verdauen, ehe man sich der wohltemperierten Mischung aus Komödie und Drama hingeben kann: Der erfolgreiche Pariser Dirigent Thibaut erfährt, dass er an Leukämie erkrankt ist und nur durch eine Knochenmarkspende überleben kann. Doch weil er als Kind adoptiert wurde, kommen seine bisher vermeintliche Mutter und Schwester als Spenderinnen nicht in Frage. Daraufhin betreibt Thibaut Ahnenforschung und entdeckt seinen jüngeren Bruder Jimmy, der ebenfalls adoptiert wurde und im Norden Frankreichs ein bescheidenes Leben als Aushilfskoch führt. Ihre erste Begegnung ist eher von Distanz geprägt – und doch entscheidet sich Jimmy, der Knochenmarkspende zuzustimmen. Dann entdecken die beiden zutiefst unterschiedlichen Brüder ihre gemeinsame Liebe zur Musik, speziell zum Jazz. Als der Blaskapelle, in der Jimmy Posaune spielt, der Dirigent von der Fahne geht, entschließt sich Thibaut, einzuspringen und das Orchester fit für einen regionalen Wettbewerb zu machen.
So rückt die Musik immer mehr in den Mittelpunkt der Handlung und Ravels „Bolero“ wird zu jenem klassischen Stück, „auf das sich wohl alle einigen können“, wie es Thibaut einmal bei einer Orchesterprobe formuliert. Die populäre Komposition setzt sich dermaßen in unseren Ohren fest, dass man sie zukünftig wohl immer mit „Die leisen und die großen Töne“ in Verbindung bringen wird. Genauso nachhaltig wirkt Courcols ausgefeilte Inszenierung, die in Kombination mit der stimmungsvollen Kameraarbeit von Maxence Lemonnier und dem flüssigen Schnitt von Guerric Catala aus dem Film ein kleines Meisterwerk des humanistischen Kinos macht, dessen emotionale Wirkung einen geradezu beglückt. Das ist auch dem authentischen Spiel der beiden Hauptdarsteller Benjamin Lavernhe als Dirigent und Pierre Lotti als sein Bruder Jimmy zu verdanken, die ihre Figuren mit menschlicher Tiefe ausfüllen und sie uns ans Herz wachsen lassen. Selbst die von Courcol und seinen Co-Autorinnen Irène Muscari und Oriane Bonduel präzise entwickelten Nebenfiguren wie die alleinerziehende Mutter Sabrina und ihr Bruder mit Down-Syndrom und die teils schrägen Mitglieder des Blasorchesters fügen sich nahtlos in diesen liebenswerten gesellschaftlichen Kosmos ein, der so gar nichts mit Thibaults privilegiertem Leben zu tun hat. Aber auch diesen sozialen Unterschieden begegnet Courcol mit Respekt und vermeidet jedes Klischee.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
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