Ein kleines Stück vom Kuchen
Iran, Schweden, Frankreich, Deutschland 2024, Laufzeit: 96 Min., FSK 12
Regie: Maryam Moghadam, Behtash Sanaeeha
Darsteller: Lili Farhadpour, Esmaeel Mehrabi
>> tickets.alamodefilm.de/ein-kleines-stuck-vom-kuchen
Sanft-subversives Kino aus dem Iran
Mullah-Regime vs. Lebenslust
„Ein kleines Stück vom Kuchen“ von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha
Es herrscht eine latente Spannung in diesem sanft-subversiven Film des iranischen Regie-Duos Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha: Die Repression, die das Mullah-Regime auf die Bevölkerung ausübt, liegt wie ein Schatten über dem Schauplatz Teheran; sie tritt zwar nur in wenigen Szenen manifest zutage, ist als latente Drohung aber immer präsent. Nichtsdestotrotz ist „Ein kleines Stück vom Kuchen“ kein deprimierender, sondern ein widerständig lebensfroher Film. Denn der Druck der Religionspolizei prallt darin auf eine wunderbare Frauenfigur: eine finanziell unabhängige Witwe aus der bürgerlichen Mittelschicht (Lily Farhadpour), deren Kniegelenke Schwierigkeiten beim Treppensteigen machen, die aber trotzdem (oder gerade dank der Freiheit des Alters) die Standfestigkeit hat, der Unterdrückung zu trotzen.
Mahin, so der Name der Protagonistin, ist um die 70 Jahre alt und erinnert sich noch an Zeiten, als es in Teheran möglich war, mit tiefem Ausschnitt und hochhackigen Schuhen im Hyatt-Hotel ein Konzert von Al Bano & Romina Power zu besuchen. Und sie ist gewillt, auch jetzt wieder mehr Sexyness, mehr Intensität in ihr Leben zu lassen, auch wenn sie damit die Grenzen, die die Scharia setzt, überschreitet: In ihrer Wohnung und im Garten des dazu gehörigen Innenhofes sprießen neben den Gewächsen bald auch Gefühle, als die alte Dame auf Drängen ihrer Freundinnen loszieht, um der Einsamkeit ihres Witwenstandes zu entkommen. Tatsächlich schafft sie es, den ebenfalls alleinstehenden Taxifahrer Faramarz (Esmaeel Mehrabi) für sich zu interessieren. Der Rentner ist nur zu gerne bereit, der Liebe noch einmal eine Chance einzuräumen und sich von Mahin in deren Haus einladen zu lassen. Dort wartet all das auf ihn, was als sittenwidrig und unreligiös verpönt ist: eine Flasche Wein, Musik und Tanz – und Mahin ohne Hijab, dafür aber mit jeder Menge aufgestauter (Lebens-)Lust.
Der Film kreist um die magische Nacht, die sich aus dieser Begegnung entwickelt, und zelebriert das Beisammensein der Figuren als genüsslichen Akt der Rebellion, dessen Glück umso kostbarer erscheint, weil die Filmemacher stets mit kleinen Hinweisen in Erinnerung halten, wie fragil es ist. Falsche Ohren, die die Musik hören, zu der das Paar tanzt, eine zu neugierig-missgünstige Nachbarin könnten ausreichen, um die beiden einen hohen Preis für die gemeinsamen Stunden bezahlen zu lassen. Gerade durch die Wärme und das Licht, das diese Liebesgeschichte ausstrahlt, tritt das Dunkel, gegen das sie sich abhebt, umso markanter hervor.
Das gilt auch für die Produktion des Films: Die Filmemacher:innen Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha mussten bereits nach ihrem letzten Film, „Ballade von der weißen Kuh“ (2020) einem Gerichtsprozess über sich ergehen lassen; vor Fertigstellung von „Ein kleines Stück vom Kuchen“ mussten sie nun ihre Pässe abgeben und konnten bei der Uraufführung während der Berlinale 2024 nicht anwesend sein. Gefeiert wurde der Film trotzdem.
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
Nosferatu – Der Untote
Start: 2.1.2025
Queer
Start: 9.1.2025
September 5
Start: 9.1.2025
We Live In Time
Start: 9.1.2025
Armand
Start: 16.1.2025
Like A Complete Unknown
Start: 27.2.2025
Das kostbarste aller Güter
Start: 6.3.2025