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Josef Hader am Set seines Films „Andrea lässt sich scheiden“
Foto: Stefan Fürtbauer

„Ich mag realistische Komödien lieber“

26. März 2024

Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24

Josef Hader stammt aus dem oberösterreichischen Waldhausen, wo er 1962 geboren wurde. Mit Anfang 20 wurde er hauptberuflich Kabarettist und hat damit die wichtigsten deutschsprachigen Kleinkunstpreise gewonnen. Mit dem Spielfilm „Indien“ schaffte er 1993 auch im Kino den Durchbruch. In insgesamt vier Wolf-Haas-Verfilmungen spielte er die Rolle des lakonischen Ermittlers Simon Brenner. Auch an den Drehbüchern zu den Filmen war er immer beteiligt, zuletzt 2015 bei „Das ewige Leben“. Mit „Wilde Maus“ hat er im Jahr 2017 sein Regiedebüt vorgelegt. Nun folgt mit dem auf der Berlinale uraufgeführten „Andrea lässt sich scheiden“ Haders zweite Regiearbeit, die ab dem 4. April in den Kinos anläuft. Darin überfährt die Polizistin Andrea (Birgit Minichmayr) versehentlich ihren Ehemann (Thomas Stipsits), von dem sie sich eigentlich hatte scheiden lassen wollen. Zu ihrem Glück glaubt Religionslehrer Franz (Josef Hader), für den Unfall mit Fahrerflucht verantwortlich zu sein.

engels: Herr Hader, wie kommt man auf eine solche Geschichte und diese Figuren? Ist das zumindest teilweise dem echten Leben abgeschaut?

Josef Hader: Das ist immer ein sehr langwieriger Prozess. Ich sprühe leider nicht vor Ideen am Anfang, sondern kritzel in meinem Schreibbuch herum. Da hab ich dann ganz banal überlegt, ob ich nach meinem ersten Film, der in der Stadt spielt, nicht einmal eine Geschichte auf dem Land erzählen könnte. Ich kenne mich ja ganz gut aus auf dem Land, ich hab dort die ersten zwanzig Jahre meines Lebens verbracht. Mein Bruder betreibt jetzt den Bauernhof der Familie. Und dann hatte ich noch eine zweite Idee: Ich wollte einen Film machen, bei dem am Anfang etwas richtig Schlimmes passiert, und dann schauen, welche Art von Komödie danach möglich ist. Ich brauch immer so sportliche Gedanken, dann hab ich Lust am Schreiben. 

Sie beschreiben die österreichische Provinz als Sammelbecken der seltsamen Menschen, die es nicht geschafft haben, in die Stadt zu ziehen. Sie selbst könnten es sich vermutlich gar nicht mehr vorstellen, auf dem Land zu leben?

Auf dem Land leben keine seltsameren oder dümmeren Menschen als in der Stadt, das ist mir wichtig! Aber wenn ich einen Provinzfilm drehe, dann kümmere ich mich logischerweise nicht um die Idylle, das macht das Fremdenverkehrsamt. In Wirklichkeit kann man überall leben, wenn es notwendig ist oder nicht anders geht, oder man irgendwo angenagelt ist und nicht wegkann. Aber wir werden, egal, wo wir wohnen, immer auch ein bisschen deformiert von unserer Umgebung. Die Stadtmenschen werden ein bisschen seltsam von der Stadt und die Landmenschen vom Land. Ich möchte keine romantische Komödie machen, das könnte ich gar nicht, bei mir wird das immer eine realistische Komödie, die sich mit den Schwächen der Menschen beschäftigt. Es ist immer eine Lächerlichkeit im Leben vorhanden, und wenn ich was schreibe, dann wird das hervorgekitzelt. Da muss ich mich nicht extra anstrengen, das passiert automatisch. Die schönen Seiten des Lebens interessieren mich natürlich privat sehr, aber nicht im Film, dafür schau ich mir einmal im Jahr das „Traumschiff“ an, meistens zu Weihnachten, dann hab ich wieder genug davon. Ich mag auch als Zuschauer lieber realistische Komödien. Das hat schon begonnen mit „Das Appartement“ von Billy Wilder, das ist ein Film, der voller Trostlosigkeit steckt und trotzdem die ganze Zeit zum Lachen bringt. Das ist das große Ziel, das sind die Sterne am Firmament.

Vieles um die Figuren bleibt nur angedeutet. Überlegen Sie sich beim Schreiben detailliertere Hintergrundgeschichten für die Figuren?

Es gibt beim Drehbuchschreiben immer Phasen, in denen zu viel im Buch drinnen steht. Am Anfang sind immer zu viele Erklärungen vorhanden, die brauch ich wahrscheinlich für mich selber, die muss man aber dann wegräumen. Das ist wie bei einem neu gebauten Haus, bei dem am Ende die Baugerüste entfernt werden müssen. Ich bemühe mich, am Schluss ein schlankes Buch zu haben, wo auch Dinge offengelassen werden. Und dann kommen die Schauspielerinnen und Schauspieler und füllen die Leerstellen wieder auf.

Mit vielen dieser Schauspielerinnen und Schauspieler hatten Sie im Vorfeld bereits zusammengearbeitet. Haben Sie denen die Rollen auf den Leib geschrieben?

Beim Schreiben werden mir Figuren immer klarer, und dann fallen mir irgendwann auch bestimmte Kolleginnen und Kollegen ein. Birgit Minichmayr sehr früh, später sind die anderen dazugekommen, die haben dann auch wirklich alle zugesagt. Es ist ein bisschen Intuition dabei bei solch einer Besetzung, aber auch ganz viel Glück, dass man die richtigen erwischt. Diesmal besonders. Die Kolleginnen und Kollegen sind so aufgeblüht in ihren Rollen, die haben viel mehr aus ihren Figuren gemacht, als ich hätte schreiben können.

In Deutschland werden die meisten Filme auf Hochdeutsch gedreht. Hat in Österreich Mundart einen anderen Stellenwert?

Im Kinofilm bemühen sich eigentlich alle, dass der Dialekt und die Atmosphäre wirklich stimmen. Sonst bräuchte ja niemand ins Kino zu gehen, da kann man ja gleich vor dem Fernseher daheim sitzen bleiben. Dort gibt es ja noch immer diese neutrale Sprache, die ein bisschen Österreichisch klingt, es aber nicht ist. Meistens wird koproduziert mit deutschen Fernsehsendern, und so entsteht dann dieser seltsame Fernsehdialekt. Aber im Kino sind wir freier. Österreich ist ein kleines Filmland, das hat Vor- und Nachteile. Die großen Kinofilme, die im ganzen deutschen Sprachraum ein Massenpublikum finden, könnte man bei uns gar nicht finanzieren. Und das ist vielleicht ganz gut so, weil so super werden die eh nicht, dass man da immer einen Neid haben müsste. Die sind dann oft am Reißbrett entworfen, und man weiß schon nach fünfzehn Minuten, wie alles ausgehen wird.

Wie kommt man bei solch einem Film mit diesem Inhalt eigentlich auf den Titel „Andrea lässt sich scheiden“?

Da macht man sich eine Liste mit möglichen Titeln, und dann sucht man einen aus. Am Ende habe ich mich für diesen entschieden, weil die Leute dann noch etwas zu lachen haben, wenn sie aus dem Kino rausgehen und am Kinoplakat vorbeikommen.

Die Bildtableaus von Kameramann Carsten Thiele sind wunderbar konzipiert. Hatten Sie da konkrete Vorgaben oder ihm eher freie Hand gelassen?

Wir haben einfach sehr eng zusammengearbeitet. Dafür bin ich Carsten sehr dankbar. Ich bin ja kein gelernter Regisseur. Ich brauche, wenn ich bei der Bildgestaltung mitreden will, diese enge Zusammenarbeit. Wir sind durchs Weinviertel gefahren, haben die Schauplätze teilweise selbst gefunden, haben verschiedene Brennweiten probiert und waren dadurch gut vorbereitet.

Eines dieser tollen Motive ist das „Große Zwiebelchen“ von Leo Schatzl auf dem Kreisverkehr von Unterstinkenbrunn. Wie wichtig waren Ihnen solche Drehorte für die Erzählung?

Carsten und ich haben lange darüber diskutiert, wie wir es vermeiden können, dass es in dem Film so trist aussieht wie in einem Sozialdrama. Oder, dass es zu lieblich wird. Wir haben nach Schauplätzen gesucht, die einen herben Charme haben. Wir wollten auf keinen Fall lustige Sachen dazu bauen, sondern ganz dokumentarisch an das Ganze herangehen. Große Vorbilder waren für uns dabei die Filme von Aki Kaurismäki oder von den Coen-Brüdern. Oder „Papermoon“ von Peter Bogdanovich, einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Wir haben versucht, das Niederdrückende zu vermeiden, aber auch die Realität nicht zu verraten.

Und dabei wäre es dann zu viel gewesen, irgendwann einmal das Ortsschild von Unterstinkenbrunn ins Bild zu setzen, weil das niemand ernst genommen hätte?

Genau, diese Art von Humor wollten wir absolut vermeiden, wir wollten uns nicht lustig machen über Ortsnamen. Unser Ziel war, dass der Witz das Drama nicht entwertet. Wenn der Zuschauer im Film ein Schild mit dem Namen „Unterstinkenbrunn“ sieht, lehnt er sich zurück und denkt, „So schlimm können die Probleme der Hauptfigur ja nicht sein, wenn diese Art von Humor vorkommt“. Wir wollten eine Komödie, in der die Probleme ihren Wert behalten.

Zum zweiten Mal haben Sie hier nun nicht nur am Drehbuch geschrieben und eine Rolle übernommen, sondern auch Regie geführt. Kommen Sie gut mit dieser Mehrfachbelastung klar?

Es ist eine Überforderung, und auch nach diesen Dreharbeiten war ich am Ende wieder der Überzeugung, ich möchte nie wieder einen Film machen (lacht). Aber es ist die Chance, mit vielen anderen zusammen, dem Film einen ganz eigenen Touch zu geben. Mit anderen Regisseuren und Regisseurinnen sind großartige Zusammenarbeiten entstanden, mit Wolfgang Murnberger oder Maria Schrader und anderen. Und ein eigener Film bedeutet nicht, dass man dem Team anschafft, was sie tun sollen. Aber man trifft als Regisseur viele kleine Entscheidungen, nimmt aus den vielen Vorschlägen, die man von großartigen und kompetenten Menschen bekommt, bestimmte an und andere nicht. Und das gibt dem Film idealerweise seinen Charakter.

Frank Brenner

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