Immer Drama um Tamara
Großbritannien 2010, Laufzeit: 109 Min., FSK 12
Regie: Stephen Frears
Darsteller: Gemma Arterton, Dominic Cooper, Tamsin Greig
In einem ländlichen Refugium für Schriftsteller ist die attraktive Tamara Drewe ein Katalysator für alle möglichen Ereignisse.
Stonefield heißt die ehemalige Farm, auf der der bekannte Krimiautor Nicolas Hariman mit seiner Frau ebt. Während Hariman meist zurückgezogen in seinem Cottage schreibt, kümmert sich seine Frau Beth rührend um den Betrieb. Sie versorgt die Gäste, tätigt sogar Schreibarbeiten für sie, und ihrem Mann nimmt sie alle Mühsal des Alltags ab. Der lässt sich das gefallen und versüßt sich das Leben zudem auch noch regelmäßig mit Affären. Als Tamara Drewe (Bond-Girl Gemma Arterton) auftaucht, die Tochter der verstorbenen Nachbarin von der Winnards Farm, wirkt die auffällige Schönheit wie ein Katalysator auf das oberflächlich funktionierende Gefüge auf der Farm und im anliegenden Dorf. Im Sommer erschien die deutsche Ausgabe von Posy Simmonds Graphic Novel „Tamara Drewe“ im Reprodukt Verlag. Sie beschreibt das Leben zwischen Stonefield, der Winnards Farm und dem Dorf, das gespalten ist zwischen Alteingesessenen und stadtflüchtigen Neureichen, minutiös und dem Schein der Idylle angemessen in lieblichen Farbzeichnungen. Mit ständigem Perspektivwechsel und einer ungewöhnlichen Text-Bild-Kombination fängt sie den Reigen der umeinander kreisenden, sich anziehenden, gegeneinander prallenden und wieder abstoßenden Figuren. Klassische Comicpassagen werden dabei immer wieder von längeren Textblöcken unterbrochen, in denen sie dem Stream of Consciousness der einzelnen Protagonisten ihren freien Lauf lassen. Ein in seiner Beobachtung menschlicher Affekte bestechend genaues und in seiner formalen Gestaltung kluges Werk. Stephen Frears hat sich nun der Verfilmung der ungewöhnlichen Comicvorlage angenommen. Er inszeniert mit betont leichter Hand und hält sich stark an die Vorlage. Sogar visuell – der Comic kann ja fast schon als Storyboard für die Verfilmung fungieren – bleibt der Film sehr nah an Simmonds Figuren und Setting. Allerdings hat Frears nicht versucht, für den ungewöhnlichen Wechsel der Erzählform eine filmische Umsetzung zu finden. Stattdessen betont er die komischen Aspekte der Story und unterschlägt einige dramatische Momente und düstere Untertöne. Frears kurzweilige Inszenierung erinnert ein wenig an Alain Resnais‘ ebenfalls im ländlichen Südengland angesiedeltes Was-wäre-wenn-Experiment „Smoking/No Smoking“ (1993). Auch dort geht es um die Verkettung von Ereignissen. Hier macht außerdem das Aufeinanderprallen von Gegensätzen den Reiz der Geschichte aus. Nach seinen Betrachtungen der High Society in „The Queen“ und „Chérie“ ist Stephen Frears wieder in der Gesamtbevölkerung angekommen. Der Querschnitt in „Tamara Drewe“ reicht vom Intellektuellen bis zum Landwirt, vom Popstar zum proletarischen Teenie und wirbelt die Beteiligten in einem Reigen des Begehrens wild durcheinander. Das in dieser leichthändigen Inszenierung 111 Minuten lang anzuschauen, ist äußerst vergnüglich.
Hagener Bühne für den Filmnachwuchs
„Eat My Shorts“ in der Stadthalle Hagen – Foyer 11/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Kölner Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Kölner Filmpalast – Foyer 04/24
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Alles ist heute deutlich komplizierter geworden“
Julien Hervé über „Oh la la – Wer ahnt denn sowas?“ – Gespräch zum Film 03/24
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
Emilia Pérez
Start: 28.11.2024
The Outrun
Start: 5.12.2024
Here
Start: 12.12.2024
All We Imagine As Light
Start: 19.12.2024
Freud – Jenseits des Glaubens
Start: 19.12.2024
Die Saat des heiligen Feigenbaums
Start: 26.12.2024
Nosferatu – Der Untote
Start: 2.1.2025