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Nói Albinói
Island/ Deutschland/ Großbritannien/ Dänemark 2002, Laufzeit: 93 Min., FSK 12
Regie: Dagur Kari
Darsteller: Tomas Lemarquis, Throstur Leo Gunnarsson, Elin Hansdottir, Anna Fridriksdottir, Hjalti Rögnvaldsson, Petur Einarsson, Kjartan Bjargmundsson, Greipur Gislason

Außer jugendlichem Trotz hat der Albino Nói der Lethargie seines isländischen Heimatkaffs nicht viel entgegen zu setzen. Erst als er êris kennenlernt, nimmt sein rebellisches Aufbegehren, der Wunsch, dem Stumpfsinn zu entfliehen, konkretere Züge an. _ Eine wunderbar lakonische Tragikomödie Wie aus einer tristen Welt ausbrechen, wenn man sich schon an der Türschwelle einer Wand aus Schnee gegenüber sieht? Aus der Abgeschiedenheit der westlichen Fjords scheint kein Entrinnen. Wie eine Mauer schließen sich Islands tobende Elemente und die Lethargie der Dorfbewohner um den jugendlichen Nói. Sich Tag für Tag aus dem Spielautomaten das Kleingeld für ein Malzbier klauen oder die Schule schwänzen, verschaffen auch keine Linderung. Obgleich es wenig erstrebenswert erscheint, sich vom Französischlehrer wieder einmal die Tretmühle des Lebens anhand des Mayonnaise-Schlagens vorführen zu lassen. Und wofür überhaupt Französisch? Regisseur Dagur Kári hat eine Menge solch tragikomischer Sinnbilder gesammelt und genial beiläufig zu Nóis Geschichte verflochten. Da schmettert dessen versoffener Vater auf der Karaoke-Bühne voller Inbrunst Elvis' Ode an die triste Jugend, "In the Ghetto", um zuhause in allem Frust dem Klavier zuleibe zu rücken: "Es ist keine Musik in diesem verdammten Piano!" Und wenn Nói mit dem Dorfpfaffen um die Tiefe des in durchgefrorenem Boden auszuhebenden Grabes feilscht, erscheint selbst der Tod als ein ewiger. Nói muss raus, nur weg von der wie auf die Landkarte "gerotzten" Insel, ab nach Hawaii, das von Tapeten, Vaters Hemd, dem Geburtstagskuchen oder aus dem "Gucki" das Paradies verspricht. Die aufwühlende Begegnung mit der in dieser Einöde deplaziert wirkenden êris verleiht Gewissheit. Nicht dass die Geschichte neu wäre. Auch der beeindruckenden Natur räumt Kári nicht viel Platz ein. Das klassische Drama jugendlicher Rebellion nimmt in seinem Spielfilmdebut schlichtweg seinen Lauf, strotzt dafür durch lakonisch-hintersinnigen Witz und beschwört nebenbei eine Klaustrophobie herauf, die an Malcolm Lowrys Alkoholikerdrama »Unter dem Vulkan´ erinnert. Unweigerlich nähert sich die Story der Spitze des Eisbergs, die sich drohend über dem Dorf erhebt ? als ob in der dort lauernden Katastrophe die Katharsis zu finden wäre.

(Lars Albat)

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