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Regisseur Florian Mischa Böder am Set
Foto: Martin Menke

„Ich musste von diesem Killer erzählen, der ständig scheitert“

30. Oktober 2014

Florian Mischa Böder über Schauspieler, Publikumsgeschmack und Genrekonventionen – Gespräch zum Film 11/14

Florian Mischa Böder, Jahrgang 1974, hat von 1997 bis 2002 an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) studiert. Währenddessen arbeitete er u.a. für „Die Harald Schmidt Show“ und „Die Sendung mit der Maus“. Seitdem ist er als freier Autor und Regisseur für Kino-, Fernseh- und Theaterproduktionen tätig. „Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ ist nach „Nichts geht mehr“ (2006) sein zweiter Kinofilm.

engels: Herr Böder, ihr Debüt „Nichts geht mehr“ ist von 2006, seitdem war im Kino nichts mehr von Ihnen zu sehen. Stattdessen haben Sie viel Theater-Regie gemacht. Wieso jetzt doch noch mal Kino?

Florian Mischa Böder: Ich habe tatsächlich einfach lange gebraucht für den Film. Ich habe direkt im Anschluss an mein Debüt angefangen zu schreiben und sehr lange an dem Buch gearbeitet. Zwischendurch gab es auch ein paar andere Projekte, aber manches klappt dann ja auch nicht. „Die Einsamkeit des Killers ...“ hat sich dann schließlich durchgesetzt.

Hat das Theater Ihre Arbeitsweise als Filmregisseur verändert, zum Beispiel die Arbeit mit den Schauspielern?

Ich habe auch schon vor meinem Kinodebüt Erfahrung mit der Theaterregie gemacht – das war also nicht ganz neu für mich, und es hat mich geprägt. Bei meiner ersten Inszenierung habe ich mit einem ganz jungen Ensemble gearbeitet, die waren alle ganz frisch. Das war eine sehr konstruktive Stimmung, wir haben viel ausprobiert. Dabei habe ich gelernt, wie Schauspieler arbeiten: In dieser luxuriösen Zeit – das waren drei Monate Probenzeit – habe ich gelernt, was Schauspieler geben können, warum sie es geben und wie man da hinkommt. Die Darsteller haben mir damals teilweise ganz konkrete Tipps gegeben.

Haben Sie für die Arbeit am neuen Film die langen Probezeiten übernommen?

Wir hatten keine besonders lange Probenzeit, weil das alleine schon terminlich schwierig war. Ich habe versucht, das Beste rauszuholen. Im Vorfeld haben wir viel über die Figuren gesprochen, das ist ja auch schon eine Art Probe: Wie schnell oder langsam ist die Figur, wie fasst sie Dinge an, was hat sie für eine Körperlichkeit, wie spricht sie und wie kann man so etwas spielen. Die Stellprobe, in der die Technik Zeit für Kamera und Ton braucht, lassen dann viele verstreichen und gehen erst mal zum Catering. Ich nutze diese Zeit gerne, denn da kennt man schon den Ort, hat ein Gefühl für die Szenerie und kann ganz nuanciert in die Szene gehen, auch wenn das nur in einem Nebenraum geschieht. Wenn man dann zurück ans Set kommt, ist man frisch und warm und meistens schon einen guten Schritt weiter.

Benno Führmann kann in seiner Filmografie eine reiche Palette an Figuren vorweisen – von komödiantisch bis dramatisch. Trotzdem ist man überrascht, ihn in so einer Rolle zu sehen, die teilweise auch in den Slapstick geht ...

Ich habe ihn in „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ von Leander Hausmann gesehen. Das war sehr lustig und auch slapstickhaft. Er war zwar total over the top und vollkommen abgehoben, aber das war gut gemacht, auch handwerklich. Und da habe ich gemerkt, dass er ein großes komödiantisches Talent hat. Ganz viele wissen das nicht, weil man ihn so oft ernst sieht. Er ist ja fast ein Paradebeispiel für einen Killer oder Agenten wie James Bond. Die Fallhöhe ist ja hoch: Wie er daher kommt, denkt man sofort „Das ist unser Held“. Diese Figur dann zum Antihelden zu demontieren hat mir mit Benno besonders viel Spaß gemacht. Genau diese Brüche kann er gut darstellen, ich hatte da absolutes Vertrauen in ihn.

Wenn man sich die in Deutschland erfolgreichen Komödien ansieht dann schlägt Ihr eher langsam gehaltener Film, der auf Schenkelklopfer verzichtet, ganz andere Töne an. Können Sie sich trotzdem ein größeres Publikum vorstellen?

Ich glaube, dass man als einzigen Ratgeber seinen eigenen Geschmack haben kann. Ich finde es schwierig, wenn man anfängt, an das Publikum zu denken und das von sich trennt im Sinne von „Das Publikum will aber...“. Da bewegt man sich auf dünnem Eis. Ich habe an diesem Film auch deswegen so lange gearbeitet, weil ich versucht habe, meinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Ich möchte den Film am Ende mögen können. Dann habe ich eine ganz idealistische Hoffnung, dass es dafür auch ein Publikum gibt.

Ihr Film vermischt Killerfilm mit Komödie und spielt mit den Genrekonventionen. Was reizt Sie an dem Genre?

Die Idee des Films kam aus der Überlegung, was passieren würde, wenn man die Überhöhung aus so einem Agentenfilm nehmen würde und die Kleinigkeiten ernst nimmt. Mit den kleinen, profanen Dingen ist man schnell bei einer Komödie. Mir kam der Gedanke bei einem Jason-Bourne-Film. Ich konnte diesen Film dann gar nicht mehr ernst nehmen, obwohl ich die Bourne-Filme eigentlich mag. In dem Moment war aber die Idee geboren und ich dachte, ich muss von diesem Killer erzählen, der ständig gegen die Wand läuft, ständig scheitert – der ist viel interessanter.

Die Story ist eingebettet in den Gedanken an eine korrupte EU-Bürokratie im Leerlauf. Inwiefern ist das Thema zentral für den Film?

Dahinter steht wieder der Gedanke, einen Bruch im Agentenfilm herzustellen. Man erwartet in amerikanischen Agentenfilmen immer, dass alles überdramatisch ist und groß aufgefahren wird. Da ist alles High-Tech und hochbrisant, auch auf politischer Ebene. Die Idee, die Luft da rauszulassen, führte zu der Frage, wie das denn politisch aussehen würde? Es wird ja am Anfang gesagt, dass Europa nach 9/11 auch solche Geheimprogramme wie die USA haben will. Aber natürlich geht es in der EU nicht ohne Gremien und ohne die Bewilligung von Geldern, auch wenn das eine ganz geheime Abteilung ist. Diese Telefonate, die Koralnik die ganze Zeit macht, sind ja furchtbar für ihn und erzeugen einen wahnsinnigen Kontrast dazu, wie er sich eigentlich sieht. Er wird verwaltet! Wenn er am liebsten einfach loslegen würde, landet er stattdessen in der Telefonwarteschleife.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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