Zwischen Wuppertal, Düsseldorf, Mönchengladbach und Köln überdauern die alten Mauern der Klosteranlage Knechtsteden die Jahrhunderte. Gegen ihre Geschichte wirkt das Festival Alte Musik Knechtsteden jugendlich und frisch. Erst vor einem Vierteljahrhundert gründete Hermann Max dieses heute fest im Jahreskalender etablierte Ereignis, das regelmäßig zahlreiche Gäste aus dem Umland einbindet. Sie können sich auf den Geschmack, auf die große Kenntnis und nicht zuletzt auf die musikalischen Ideen der Festivalseele Max verlassen, der in diesem Jubeljahr ganz besonders prächtige, exotische und spirituelle Festmusiken zu einer klingenden und singenden Woche in der romanischen Basilika zusammenführt.
Hermann Max verfolgt schon seit langem das Ziel, die sogenannte Alte Musik mit der ganz jungen zusammenzubringen. Denn Alte Musik ist die Neue Musik der Vergangenheit. Der in Goslar geborene Kirchenmusiker gilt als wunderbares Beispiel dafür, wie ein lange Jahre an der Christuskirche in Dormagen wirkender Künstler durch hervorragende Initiative eine ganze Kulturlandschaft prägen kann. Seine Ensembles „Das kleine Konzert“ als Orchester und die „Rheinische Kantorei“ als professioneller Chor setzten Maßstäbe bei der Anwendung historischer Aufführungspraxis: Der Kirchenmusiker mauserte sich zum Musikforscher und Dirigent außerhalb seines kirchenmusikalischen Wirkens. Sein Credo: Musik ist eine Sprache, die begeistert erzählt und verstanden werden will. Mehrfach wurde Max dafür mit Preisen und Ehrungen belobigt.
In Knechtsteden unterstreicht die familiäre Atmosphäre dieses Vorhaben; der regelmäßig sehr gute Zuspruch spricht für sich. Chefsache bleibt das Eröffnungskonzert, bei dem Max eine Orchester-Suite Johann Sebastian Bachs musiziert und anschließend mit drei Sätzen aus der h-Moll-Messe zum Geburtstag ein „Gloria in excelsis“ jubiliert. Bachs „Komische Oper“ mit dem Titel „Der zufriedengestellte Aeolus“ vertont einen Fantasie-Plot der Barockzeit: Der Windgott entfacht die herbstlichen Stürme zu früh, ein Fest droht zu platzen, Göttin Pomona kann „das ergrimmte Herz des Wind-Monsters mit den roten Wangen ihrer Früchte fangen“ – da wird Musik lebendig, und passend zum Jubiläum heißt es im Finale: „Was Freude! Welch‘Vergnügen!“
Herrliche Töne für Chor und Solisten werden in Rossinis „Petit Messe solennelle“ angestimmt, eine Perle der Renaissance bleibt Monteverdis Marienvesper von 1610. Einen interessanten Ausflug verspricht die multimediale Konzertinszenierung, die ein Telemann-Oratorium mit neuen Kompositionen der viel gepriesenen englischen Tonsetzerin Rebecca Saunders kombiniert. Im internationalen Gratulantenkader erlesener Gäste treten Capella della Torre, die Madrigal-Schola Vox Werdensis oder das britische A cappella-Ensemble The Marian Consort auf. Es gibt auch Sitar- und Tabla-Klänge oder Sockenkonzerte für die Kleinen, Kolloquien und moderierte Künstlergespräche im Umfeld – halt alles, was zu einem runden Fest gehört. Gratulation.
Festival Alte Musik Knechtsteden | 17.-25.9. | Basilika u. Kloster Knechtsteden | www.knechtsteden.com
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24
Mit weiblicher Inspiration
City of Birmingham Symphony Orchestra in Dortmund – Klassik an der Ruhr 02/20
Ein bisschen Spaß muss sein
Julia Jones dirigiert das Sinfonieorchester Wuppertal – Klassik an der Ruhr 12/19
Verstehen – verwirren
Tage Alter Musik: „Les voyages de l´Amour“ in Herne – Klassik an der Ruhr 11/19
Freches Geburtstagsgeschenk
Moritz Eggert komponiert zum 100. Geburtstag in Bochum – Klassik an der Ruhr 10/19
Sommerliche Pfeifentöne
Orgelwettbewerb in Wuppertal – Klassik 08/19
Andere Konzerte zum Saisonende
Die Philharmonie Essen präsentiert das Besondere – Klassik an der Ruhr 07/19
Aus Beethovens Tagen
Goebel und Contzen besuchen Duisburg – Klassik an der Ruhr 04/19
Blick zurück, Blick voraus
Die Essener Philharmoniker umzingeln Tschaikowski – Klassik an der Ruhr 02/18
Rebellen und Revoluzzer
In Herne poltert die Alte Musik – Klassik an der Ruhr 11/17
Mutiges Credo
Der Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf mit neuem Programm – Klassik an der Ruhr 10/17
In der guten Stube
Isabelle van Keulen übernimmt Künstlerische Leitung in Neuss – Klassik an der Ruhr 09/17
Originelle Qualität
„Weihnachten mit Daniel Hope“ in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 12/24
Friedenslieder zum Jahresende
„Silvesterkonzert – Bernstein & Gershwin“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24