Kein anderes Melodie-Instrument wird in der populären Musik so multistilistisch eingesetzt wie die Gitarre. Rock- und Popsounds scheinen ohne kreischende Gitarrenriffs undenkbar, die Zeit des Fusionjazz wäre ohne markante Gitarristen wesentlich kraftloser ausgefallen, und im Jazz reagiert der gesamte Bandklang auf den Einsatz einer Gitarre bis heute grundlegend. Vom Swing der Pariser Hot Club-Szene über folkloristische Saitentradition aus Spanien, erdig legendäre Bluesroots bis zu knorrig verqueren Improvisationen des harten modernen Jazz präsentieren die Leverkusener Jazztage in ihrer 31. Ausgabe einen Rundumschlag über die Welt aus sechs Saiten.
Es wird auch getrommelt und gesungen bei diesem umfänglichsten Jazzfest der Region, selbst der Betroffenheitsbarde Wolfgang Niedecken darf im Betonforum der Pillenstadt in die Saiten greifen, aber ein Blick über die fetten Jobs auf der Hauptbühne rückt Darm und Stahl in den Fokus. Beginnen wir auf der tiefen E-Saite.
Paco de Lucia und Al DiMeola eröffnen den Reigen mit ihren eigenen Projekten, gern in E-Dur. Paco pflegt den akustisch klassischen Flamenco-Stil, bei dem gesungen und manchmal auch getanzt wird, den der Meister rasanter Trommelfeuerläufe meisterlich durch Virtuosität in den Bereich der Kunstmusik überführt. Am Geschwindigkeitsrausch der eigenen Finger begeistert sich auch Al DiMeola, der aktuell mit Akkordeonist in Akustikband tourt und darin sehr gut aufgehoben ist. Ob sich die beiden Schnellfinger Paco und Al Di in einem Duell auf der Festivalbühne begegnen werden wie einst beim spektakulären Meeting mit John McLaughlin, davon dürfen Romantiker träumen. Der verbal-rustikale Festivalchef über seine Bemühungen: „Sind am Sprechen!“
Johnny Winter vertritt den krassen Gegenpol akademisch sauberer Spielkunst, seine Bluesgitarre muss aus dem Bauch singen und den Rhythmus voranpeitschen. Diese Gitarrenkunst auf der Elektrischen hat auch nichts zu tun mit den exzessiven Saitenritten eines Allan Holdsworth oder der amerikanisch flexibleren Variante eines John Scofield. Am Abend der „Masters of Electric Guitar“ darf auch noch Steve Lukather von der Kultgruppe Toto mitmischen, der natürlich eine weit zur Popmusik geöffnete Soundart vertritt. Und einen deutschen Django, wahrscheinlich aber auf Nylonsaite, präsentiert Leverkusen mit Joscho Stephan und seiner Band.
Es verstecken sich auch in den anderen Bands erstklassige Gitarristen. So wird Billy Cobham, die Schlagzeug-Maschine aus den Staaten, selbstverständlich eine E-Gitarre in seiner Musik verwenden. Aber die Hobbygitarristen – oder die, die es werden wollen – werden sich richtig zu entscheiden wissen. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, abzuwägen, ob sich die Investition in z. B. satte 74 € für eine Karte für Paco und Al Di nicht eventuell in eine Aldi-Gitarre stecken ließen, frei nach dem Motto „jedem Bürger ein Instrument“, auch wenn es für den kleinen Preis natürlich in fernöstlichen Gefilden von kleinen fleißigen Händen zusammengelötet wurde. Na, vielleicht fahren wir doch besser nach Leverkusen!
Konzerte in Leverkusen, Forum: 6.11.: De Lucia, DiMeola; 8.11.: Johnny Winter; 9.11.: Holdsworth, Scofield, Lukather, Stephan; 11.11.: Cobham; 12.11.: Keita I www.leverkusener-jazztage.de
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