Man könnte vieles über Götz Widmann sagen: dass er ein gescheiterter Journalist ist zum Beispiel. Dass er verheiratet ist. Oder, dass er es an der Universität zunächst mit Italienisch und Germanistik versuchte, dann aber ein Studium der Betriebswirtschaftslehre abschloss.
Das BWL-Studium sieht man Götz Widmann so überhaupt nicht an. Er schafft es, jegliches Klischee zu widerlegen. Erfolgreich. Auf der Bühne sitzt ein Liedermacher, leger gekleidet und mit grau meliertem Haar, der dann und wann auch über Haschisch singt, linksliberal und streitbar: „Ich habe noch nie kapiert, warum man jemanden gratuliert, der Vater wird“, ist einer dieser Sätze, die er an diesem Abend beständig raus haut. Für den Fall, dass jemand mit seiner rotzig-direkten Art nicht klar kommt, dividiert er die Zuschauer in „Leute mit und Leute ohne Humor.“
Bunte Mischung
Götz Widmann sagt, was er denkt. Es schert ihn wenig, was anderen denken. Das Publikum scheint ihn aber für jene kein Blatt vor dem Mund nehmende Attitüde zu lieben. Und dafür, dass er sein Programm aus den Lieder-Wünschen der Fans zusammengestellt hat. Entstanden ist eine bunte Mischung mit Songs von Joint Venture - bis zum plötzlichen Tod des Freundes und Bandkollegens Martin Simon stand er gemeinsam mit ihm auf der Bühne - und eigenen Kreationen. Die Themen sind frech und unverschämt, die Musik originell und abwechslungsreich. Flott ist „Homo Sapiens“, ruhig das sehr gesellschaftskritische „Die Wurst, das Wunder und der Durst“.
Auch seine teilweise lustig anmutenden Texte haben einen ernsten Kern. Und so entscheidet jeder der Anwesenden selbst, ob er die Lieder des Gesangsmeisters Götz Widmann einfach nur konsumieren, oder sich mit dem sozialkritischen Impetus auseinandersetzen möchte. „Um die Steuer zu kassieren, muss man Hasch legalisieren“, singt er in der „Zaubersteuer“, mit der man gleichzeitig „die europäischen Finanzmärkte in den Griff bekommen könnte.“
Treuer Fan
Ach, wenn doch nur alles so einfach wär! Viel komplizierter – so scheint es zumindest – ist da schon die Beziehung zwischen Männern und Frauen: „Ich bin so ein Glückspilz, warum liebst du von all den Idioten ausgerechnet mich?“, fragt Götz Widmann im „Hippiebus nach Marrakesch“, um noch weitere Lieder zum Thema folgen zu lassen. Die Zuschauer, die eine Altersspanne von zwanzig bis vierzig umfasst haben dürfte, schmunzeln, lachen oder applaudieren. Unter ihnen auch ein scheinbar besonders treuer Fan, der sich die Smokie-Cover- Version „Who the fuck is Alice?“ gewünscht hat. „Da muss jemand seit 15 Jahren in unsere Konzerte rennen“, stellt Götz Widmann fest, denn das Joint-Venture Lied ist auf keiner Platte erschienen.
Götz Widmann macht sein Wunschkonzert zu einer runden Sache. In der Pause gibt er sich gekonnt publikumsnah, verkauft Fanartikel, plauscht. Sein simples musikalisches Konzept hält, was es verspricht: Entertainerqualitäten, Gesang, plus Klampfe ergeben ein abendfüllendes Konzert. Mit einem Parforceritt durch sämtliche Alben inklusive Joint-Venture Songs zeigt Götz Widmann die komplette Bandbreite seines künstlerischen Schaffens. Am Ende des Abends kann man eines mit Sicherheit über den Liedermacher sagen: dass er ein begnadeter Musiker ist, der sein eigenes Ding macht. Es sollte mehr Götz Widmänner geben.
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