„Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!“ Was dem Zauberlehrling zum Verdruss gereichte, kann auch ein Segen sein.Als der Bürgermeister von Montepulciano in den Siebziger Jahren den damals schon weltberühmten deutschen Komponisten Hans Werner Henze anrief und um Ideen-Hilfe für seine kulturschwach vor sich hin dümpelnde toskanische Bergstadt bat, ahnte wohl niemand, dass das damals initiierte Festival „Il cantiere“ in der zweiten Juli-Hälfte 2016 in sein fünftes Jahrzehnt mündet. Henzes Schüler Detlev Glanert, seit Jahren selbst ein weltweit hofierter Komponist, hat das künstlerische Erbe des mittlerweile als Stiftung geführten Abenteuers angetreten.Was mit 35 Musikschülern damals begann, so erzählte Glanert jetzt auf einem Symposium in Italien, hat sich bis heute auf eine Schülerzahl jenseits der Tausend gemausert.
Anlass für das Treffen mit dem Komponisten gab ein Festival, das eine weitere Institution – ein mächtiges Nachbeben nach der Initialzündung von 1976 – jetzt in Montepulciano ausrichtete: Vor 15 Jahren wurde die „Europäische Akademie für Musik und Darstellende Kunst Montepulciano“ gegründet.Und diese Akademie nimmt kräftigen Einfluss auf die junge Musikerszene in NRW.
Wer heute den Palazzo Ricci, den Sitz der Akademie, betritt, kann nicht ahnen, wie dieses stolze Gemäuer in zentralster Lage und direkter Nähe zum Dom und zum Rathaus aussah, als der damalige Direktor der Kölner Musikhochschule einen Deal mit der Stadt einging. Bis 1970 war das Gebäude in privatem Besitz der Nachkommen des Kardinals Ricci, der in der Renaissancezeit mehrfach beinahe Papst geworden wäre. Finanzielle Misswirtschaft der Erben führte zum Verlust der kunsthistorisch bedeutenden Einrichtung und zur Vernichtung seiner berühmten Bibliothek. Nach fünfzehn Jahren Bauzeit und erheblicher Investition strahlt der Palazzo heute bis in die erste Etage in allen Räumen in altem Glanz. Besonders der Salon funktioniert wieder ganz prächtig als Konzert- bzw. Tagungssaal, und aktuell wurde sogar eine kleine Kapelle rekonstruiert.
Just weilen zu Meisterkursen u.a. mit Operndiva Edda Moser oder Regiestar Michael Hampe rund 500 Studenten in der Akademie, viele davon aus NRW, denn als Kolleg für Musik und Kunst wird ein solcher Aufenthalt auch auf das Studium an allen Musikhochschulen des Landes angerechnet. Hier können Projekte erarbeitet werden, es kann spartenübergreifend gewerkelt oder wissenschaftlich geforscht werden.
Der touristisch heute überflutete Ort trägt diese Institution über den Sommer nicht nur im Herzen wie den Cantiere und den edlen Wein Nobile, wie der Bürgermeister in einer Gratulation formulierte. Auf den Plätzen spielen stets gut gelaunte junge Menschen Musik, die Via Ricci atmet klassische Töne aus den Fenstern des Palazzo, im historischen Theater Poliziano erklingen Konzerte. Ganz nebenbei lernen die Musikstudenten, dass ein mediterranes Bon Vivre Wind unter die Flügel der Kunst pusten kann. Die berühmten Italienreisen von Dichtern und Musikern erleben durch diese wunderbare Akademie eine Renaissance – in wirklich passendem Ambiente.
Kurse und Workshops bis Oktober | www.palazzoricci.com
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