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Peaches im Schauspiel Köln
Foto: Theaterfestival Impulse

Peaches. The Private Dancer.

08. Juli 2011

Peaches beim Theaterfestival Impulse mit »DJ Extravaganza« - Musik in NRW 07/11

engels: Wenn man ein DJ-Set hört möchte man tanzen und nicht bloß Zuschauen. Stellt das die Idee des Theaters nicht auf den Kopf?
Peaches:
Das ist natürlich meine Hoffnung, dass die Leute möglichst schnell begreifen, dass es sich weniger um ein konventionelles Theaterstück handelt, sondern mehr um ein Experiment. Die Leute sollen aufstehen und alles abreißen. Das wäre der Idealfall (lacht). Nein, keine Angst, das war natürlich ein Witz. Das Schauspielhaus wird hinterher schon noch stehen. (überlegt). Es gibt ja auch einige ganz klassische Theaterelemente. Zum Beispiel das Kunstblut! Das gehört doch obligatorisch in ein klassisches Theaterstück hinein, oder? Ich denke, im Vergleich zu dem, was an manchen anderen Bühnen geboten wird, bin ich also ganz brav.

Weißt du denn vorher schon die Reihenfolge der von dir gespielten Stücke?
Die Reihenfolge ist ungefähr klar. Es gibt natürlich bestimmte Stücke, die einfach ihren festen Platz haben, weil die Performance genauestens darauf abgestimmt ist. Zum Beispiel singe ich zum Finale hin eine Coverversion von »Private Dancer«. Das Stück wird als schwülstige Ballade vorgetragen und ich räkele mich dazu auf der Bühne. Ansonsten spiele ich aber vorwiegend harten Electro. Das ist einfach die Art von Musik, die ich gerade am meisten mag. So Sachen wie Wolfgang Gartner oder Boys Noize. Ich mag die Idee, dass man jemanden aus den Vierzigern in eine Zeitmaschine packen könnte und bei »DJ Extravaganza« absetzt, und diese Person sich dann in einer Art Krieg wähnt. So nach dem Motto: »This is a musical war!«. Oder denkt, Aliens wären gerade in Begriff, die Erde zu erobern. Ich mag Musik, die körperlich ist, die dir sprichwörtlich auf den Schädel drückt. Ich finde, eine musikalische Darbietung muss immer eine Grenzerfahrung sein, ansonsten langweile ich mich einfach zu schnell. Für manche klingt dieser neue Style von Electro wie Metal, wie eine Symbiose aus Maschinenmusik und synthetischen Gitarren. Ich mag es eben hart.

Derzeit sind viele Popmusiker in den großen sogenannten Hochkulturhäusern unterwegs. Apparat gab kürzlich im Rahmen der c/o pop ein Konzert in der Kölner Philharmonie, Mouse on Mars arbeiten gerade an einem Orchesterwerk, das im September ebenfalls in der Philharmonie uraufgeführt wird.
Ja, das ist lustig, Owen Pallet war in der Philharmonie doch auch dabei, oder? Den kenne ich noch aus Kanada, es ist fantastisch zu sehen, was für eine Entwicklung er durchgemacht hat und welchen Erfolg er gerade hat. Wir kommen ja alle aus einer ähnlichen Szene. Rufus Wainwright hat vor einiger Zeit sogar eine komplette Oper komponiert.

Er hat ja auch schon mit dem berühmten Theaterregisseur Robert Wilson in Berlin zusammen gearbeitet.
Ja, komischerweise zieht es die Kanadier immer nach Berlin. (lacht). Ich glaube, wir haben damals einen Trend losgetreten, als wir alle dahin gezogen sind. Also Mocky, Gonzales, Taylor Savy und ich. Aber um noch mal zurück zu dieser Hochkultursache zu kommen, wobei ich den Begriff ja eigentlich ablehne: Vermutlich liegt es einfach daran, dass man mit zunehmendem Alter nach neuen Herausforderungen sucht. Du willst dich ja nicht ewig wiederholen, sondern vielleicht auch mal ausloten, wie weit du gehen kannst. Und das Theater bietet die einfach viele Möglichkeiten, die du im Rahmen einer Konzerttournee nicht hast. Björk hat zum Beispiel auch ein neues Theaterstück produziert, fällt mir gerade ein. Ich selbst habe mit der Electrorock-Oper „Peaches does herself“ versucht, die letzten zehn Jahre persönlich für mich zu verarbeiten. Es ist ja weniger eine klassische Oper, sondern mehr eine Art Retrospektive mit meiner Musik. Derzeit arbeite ich zusammen mit Chilly Gonzales an einer Adaption von Monteverdis »L’Orfeo«, die 2012 auf die Bühne kommen soll. Ich werde Orpheus spielen, das ist ein schöner Gendertwist.

In diesen Tagen findet in Köln auch der Christopher Street Day statt. Eigentlich wäre »DJ Extravaganza« als Theaterparty doch der perfekte Startschuss für die Veranstaltung, oder?
Auf jeden Fall, ich liebe den Christopher Street Day. Der Pride Day ist in jeder Stadt mittlerweile anders, letzte Woche war er in New York, davor die Woche in Los Angeles. Da war ich übrigens auch zugegen, die Parade mit den Grand Marshalls ist so großartig. Es ist lustig, wie sich die einzelnen Paraden unterscheiden. Den Kölner CSD würde ich natürlich gerne sehen. Ich befürchte aber, dass wir morgen schon wieder abreisen müssen. Wobei ich natürlich hoffe, dass die queere Community bei »DJ Extravaganza« ausreichend vertreten sein wird. In dem Stück geht es ja darum, eine gute Party zu schmeißen, und es gibt nun mal niemanden, der bessere Partys schmeißt, als die Lesben und Schwulen.

Wird es denn von »Peaches Christ Superstar«, also deiner Adaption des Andrew Lloyd Webber-Musicals »Jesus Christ Superstar«, irgendwann noch mal Aufführungen geben?
Wir sind für die nächsten zwei Jahre ja verbannt worden. Andrew Lloyd Webber hat sich leider als nicht besonders humorvoll erwiesen. Das ist halt ein richtiges Unternehmen und sie bestehen auf ihrer eigenen Produktion und der Urheberschaft. Ich glaube das Stück gibt es demnächst in Berlin am Potsdamer Platz in einer neuen Version von ihnen zu sehen. Unsere Version ist ja eher stripped down, es gibt kein hohes Budget, wenig Bühnencharaktere, alles ist sehr Lo-Fi. Für uns ist es natürlich ein riesiges Kompliment, dass er uns trotzdem als Bedrohung ansieht, was seinen Geldfluss angeht. Ich glaube, er ist einfach ein Kontrollfreak. Dabei ist unsere Version von »Jesus Christ Superstar« doch als Hommage gedacht, und überhaupt nicht als Parodie. Wir wollten nur weg von dieser allzu cheesigen Bühnenshow, die ihn und seine Produktionen ja leider oftmals auszeichnet. Ich singe diese Lieder aber mit ehrlicher Leidenschaft und auf völlig unironische Weise. »Peaches Christ Superstar« sollte mehr eine feministische Interpretation des Originals darstellen.

Das Original hat natürlich auch gewisse Camp-Elemente…
Klar, deshalb liebe ich Musicals ja auch so. Die meisten Musicals sind »Camp«, oder? Für mich ist »Camp« ja ein durchweg positiv besetzter Begriff. Ich habe sogar Shows mit John Waters gemacht und er ist schließlich der Inbegriff von »Camp«. Kennst du diese Clips, wo er alleine auf einer Bühne zu sehen ist und philosophiert? Das war auf Youtube ein ziemlicher Renner. Das Ganze ist aufgebaut wie eine Stand-up Show und alles live, da wurde nichts geschnitten. Ich habe ein paar dieser Shows für ihn eröffnet, in so einer Mischung aus Stand-up und Performance. Das war auf jeden Fall ziemlich campy (lacht). Wir haben sogar ein Weihnachtsspecial zusammen gemacht. Es war unglaublich lustig, ich hatte Gäste und Tänzer eingeladen, die einfach auf die Bühne spaziert sind, und plötzlich wieder verschwanden. In völlig absurden Verkleidungen natürlich. Er arbeitet übrigens gerade an einem neuen Film und möchte Lady Gaga dafür als Hauptdarstellerin gewinnen.

Lady Gaga kann man sich natürlich sehr gut als John Waters Muse vorstellen. Wobei das fast schon wieder eine Spur zu offensichtlich ist, oder?
Ja, vermutlich. Denn Lady Gaga ist derzeit natürlich überall. Und damit streng genommen überhaupt nicht mehr »campy«. Ich glaube Britney Spears würde gerade viel mehr Sinn machen. Der gefallene Engel, der gescheitert ist und sich wieder neu aufraffen muss. Somit wäre sie eine wahnsinnig gute John Waters-Figur. Wie Traci Lords damals in den Neunzigern. Das wäre der Wahnsinn!

Interessierst du dich für Lady Gaga und ihre Musik?
Naja, man kommt gerade nicht umhin, sich mit Lady Gaga zu beschäftigen. Du musst ja nur das Radio anstellen und hörst irgendwo garantiert einen ihrer Songs. Irgendwie ist es natürlich cool was sie tut. Es ist natürlich völlig verrückt, dass so jemand der derzeit populärste Künstler der Welt ist. Sie behauptet, sie habe einen Penis, und schwupp – alle gehen drauf steil! Dabei habe ich vor Jahren schon behauptet, einen Penis zu haben. Ich war also gewissermaßen die Vorreiterin für Lady Gaga. Vielleicht hat sie sich ja tatsächlich von einigen Interviews, die ich damals gegeben habe, inspirieren lassen. Genau so ist es mit diesem Burlesque-Trend, der allmählich im Mainstream angekommen ist. Vor ein paar Jahren bist du dafür noch schief angeguckt worden, mittlerweile machen es alle. Das ist eben der Lauf der Dinge.

Interview: Sebastian Ingenhoff

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