Schnörkellos und konfrontativ ist diese Geschichte, die uns in das aufgewühlte Innenleben einer Schwarzen Teenagerin schleudert. Der niederländischen Autorin Simone Atangana Bekono, die für ihre Gedichte bereits ausgezeichnet wurde, ist mit „Salomés Zorn“ ein in vielfacher Hinsicht bemerkenswertes Romandebüt gelungen.
„Du musst deiner Faust folgen. So, als ob du ein Loch in deinen Feind schlagen willst.“ Diesen Rat ihres Vaters, der als Kameruner in der niederländischen Provinz schon Erfahrungen mit Rassismus machen musste, rekapituliert die sechzehnjährige Salomé. Sie wurde zu sechs Monaten in einer Jugendstrafanstalt verdonnert, nachdem sie diesen offenbar recht wörtlich genommen hat. Hier hockt sie nun. Gemeinsam mit anderen Problemjugendlichen. Und hat sehr viel Zeit, um sich mit dieser großen Wut zu befassen, die ihr Handeln immer stärker bestimmt. Nicht gerade einfach. Vor allem, wenn der Therapeut, der ihr hierfür zur Seite gestellt wird, ein selbstgefälliger Typ aus der fremdenfeindlichen Trash-TV-Show „Hello Jungle“ ist und zugleich selbsternannter Afrika-Experte – ein Mansplainer, wie er im Buche steht.
Zwischen den quälenden Therapiesitzungen und dem zermürbenden Haft-Alltag reflektiert die Ich-Erzählerin die komplexen Verwicklungen, die sie in diese Sackgasse führten: etwa ihr Großwerden mit Migrationshintergrund in der Niederlande sowie die damit einhergehenden Schikanen. Salomé geht bei ihrer Suche nach dem auslösenden Ereignis, das diese Aggression in ihr schürte, nicht zimperlich vor. Weder gegen andere noch gegen sich selbst. Nach außen hin ist sie wortkarg, mürrisch und unnahbar. Doch man darf teilhaben an ihrem Gedankenreichtum, ihren abgeklärten und klugen Beobachtungen.
Bekono öffnet mit einer plastischen, punktgenauen Sprache die Augen für das Anderssein in einer weiß-geprägten Welt. „Salomés Zorn“ ist ein aufmüpfiger Roman, der auf kraftvolle Weise bittere Wahrheiten sowie Machtstrukturen offenlegt und hinterfragt und der spüren lässt, wie tief Rassismus und beschnittene Selbstbestimmung die menschliche Seele schürfen.
Simone Atangana Bekono: Salomés Zorn | C. H. Beck Verlag | 246 Seiten | 24€
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Silvesternacht mit Frankenstein
„Frankenstein Unlimited“ in Remscheid
Erinnerungen an einen Schulfreund
Michael Zeller liest im Café Podest
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24