Es gibt nicht wenige Historiker des HipHop, die das erste in Deutschland entstandene Rap-Album in Köln verorten. Es heißt „Watch Out For The First Rail“, kam von der Formation LSD, wurde 1991 erstmals und 2008 auf Melting Pot Music wiederveröffentlicht. Sogar Spiegel Online würdigte Platte und Crew mit einem ausschweifenden Artikel. Doch was nach hervorragenden Startbedingungen aussieht, hat in der HipHop-Geschichte NRWs nie eine angemessene Entsprechung gefunden. Zu Beginn der Popularisierung des HipHop, in den frühen 1990ern, galt Stuttgart als das Zentrum der deutschen Szene, die von dort stammenden Acts wurden dementsprechend mit Lob und Aufmerksamkeit überhäuft. Später nahmen Frankfurt, Hamburg und zuletzt Berlin diesen Platz ein. Von NRW als Epizentrum des Rap sprach nie jemand, und das sicher nicht zu Unrecht. Denn eine fest umrissene Szene mit vielen talentierten Protagonisten mit Massenappeal gab es hier nie, wohl aber immer wieder solitäre Künstler und Bands, die sich bemühten, den Westen des Landes auf die gesamtdeutsche HipHop-Landkarte zu hieven.
Die bekanntesten Genrevertreter des Westens kamen ebenfalls aus Köln: Die Firma schafften es in den mittleren und späten 1990ern mit ihrem eher poppigen Stil aus dem Untergrund in die Charts. Weiter nördlich, in Dortmund, waren es Too Strong, die zur selben Zeit deutschlandweit Akzente setzten. In beiden Regionen, in Köln und im Ruhrgebiet, existierten zu dieser Zeit aber schon lebendige Szenen: In Köln wurden die „Beatz aus der Bude“-Partys in der Domsports-Skaterhalle zu zentralen Veranstaltungen, im östlichen Ruhrgebiet fanden sich Bands wie Too Strong und Anarchist Academy zur Silo Nation, einer losen Vereinigung vor dem Hintergrund eines bestimmten HipHop-Ethos, zusammen. Beide Szenen wurden in HipHop-Kreisen relativ bekannt und geschätzt, blieben für ein chartorientiertes Publikum ein kurzlebiges Phänomen.
Aktuell genießt der Westen eine lebendige Undergroundszene mit fruchtbaren Strukturen, aber ohne öffentlichkeitswirksame Galionsfiguren. Die vor einiger Zeit von Moers nach Duisburg gezogene Firma Mad Flava fungiert als Plattenladen, Label und vor allem Veranstalter mit Partys und Konzerten, die selbst im bundesweiten Vergleich herausragend sind. In Köln residiert mit Groove Attack die wohl wichtigste Institution des gesamten HipHop-Netzwerkes. Dazu veröffentlichen der Szene angehörende Kölner Künstler wie Huss & Hodn und Fleur Earth Experiment dieser Tage Alben, die bei Kritikern und Fans gleichermaßen für Furore sorgen. Allen gemein ist die Gewissheit, nur aus überschaubaren und unabhängigen Strukturen heraus Erfolg haben zu wollen und zu können. Der Reiz breitenwirksamer Vermarktung durch Majorplattenfirmen und Massenmedien ist ebenso verblasst wie die Verheißung des großen Geldes. Wie schmerzhaft enttäuschte Erwartungen in dieser Richtung sein können, musste unter anderem der Mülheimer Rapper Manuellsen erfahren: Er verkündete letztes Jahr, nachdem er vergeblich versuchte, ein Label für sein fertiges Album zu finden, in einem fünfzehnminütigen, pathostriefenden Track seinen Abschied aus dem Geschäft.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23
Wonnemonat für Fusionfans
Drei E-Gitarren erobern das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 10/23
Funk und Soul mit fetten Sounds
„Tribute To Curtis Mayfield“ in der Kölner Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 09/23
Das Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Bird with Strings
Karolina Strassmayer in Essen – Improvisierte Musik in NRW 07/23
Tüchtige Kellerkinder
Subway Jazz Orchestra feiert zehnten Geburtstag – Improvisierte Musik in NRW 06/23
John Scofield allein zu Haus
Der große Gitarrist in Oberhausen – Improvisierte Musik in NRW 05/23
David Murray auf Hochtouren
„International Jazz Day“ auf Burg Linn – Improvisierte Musik in NRW 04/23
Es klingelt das Vibraphon
Wolfgang Lackerschmid im Jazzkeller Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 03/23
Sisters in Jazz
Cæcilie Norby und Band in Bad Hamm – Improvisierte Musik in NRW 02/23
Je bunter, umso besser
„Die Verwandlung“ in Wuppertal, Köln und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 01/23
Den Eisbär im Programm
JugendJazzOrchester NRW im Stadtgarten Köln – Improvisierte Musik in NRW 12/22
Ein Klangträumer an den Tasten
Michael Wollny Trio in Düsseldorf und Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 11/22