Wuppertal, 21. Januar: Der Gründungsmoment von Greenpeace, sagt Mitgründer Bob Hunter, fand in einem Schneideraum statt. Ein paar Tage vorher hatte sich ein kleines Schlauchboot mit Hunter an Bord einem russischen Walfänger direkt in den Weg gestellt. Doch Hunters größte Sorge ist nicht etwa die beängstigende Harpune, die genau auf ihn und sein Boot gerichtet ist, sondern das Begleitboot mit den Kameras. Wird man am Ende gute Bilder von der Aktion haben? Im Schneideraum dann endlich die Gewissheit: Die entscheidende Szene ist auf Film gebannt. Heißes Material für die Abendnachrichten ist gesichert und der Grundstein für den Ruhm der Umweltorganisation gelegt.
Greenpeace, zwischen Machertum und PR: Davon handelt der Dokumentarfilm „How to Change the World“, der in der Kinoreihe „Offstream“ in der Alten Feuerwache an der Gathe gezeigt wurde. „Der Film fängt eindrucksvoll den Zeitgeist der 70er Jahre ein und sagt viel über die Entstehung von Greenpeace“, sagt Offstream-Macher Mark Tykwer, der Filme zeigt, die „unter dem Radar von Mulitplex und Arthouse fliegen“. Dazu haben Greenpeace-Mitglieder einen Info-Stand aufgebaut. Eine bunte Truppe. „Das Schöne ist: Hier engagieren sich Menschen von 17 und 70 Jahren“, sagt einer von ihnen.
Auch der Film schlägt eine Brücke zwischen den Generationen. Man sieht das Urschiff aller Greenpeace-Boote, die „Phyllis Cormack“, gen Alaska aufbrechen, um Atomtests zu verhindern und staunt über die Aktualität der Aufnahmen. Die Umweltheroen im Jahr 1971 wirken mit ihren Hipster-Bärtchen, den bunten Wollmützen und ihrem Ansinnen, ihre Reise möglichst breit über die globalen Medien zu streuen, so nah am Zeitgeist, dass man sich nicht wundern würde, wenn Hunter und Co im nächsten Moment ihre Smartphones zücken würden, um ein paar Tweets abzusetzen.
Umso größer fällt der Kontrast zu den Gegnern der Umweltaktivisten aus, die in der Tat einer ganz anderen Zeit zu entstammen scheinen. Da ist zum Beispiel der Chef der US-Atombehörde, der allen Ernstes mit Frau und Kindern zum Atomtest anreist, um dessen vermeintliche Unbedenklichkeit zu demonstrieren. Oder auch das verrostete sowjetische Walfängerschiff, das von oben bis unten mit dem tiefroten Blut der getöteten Meeressäuger überzogen ist.
Es sind diese beeindruckenden Bilder, die zeigen, wie unfassbar viel Greenpeace seitdem erreicht hat. Und zwar sowohl in der Schaffung eines globalen Umweltbewusstseins, wie auch in dessen wirksamer Vermarktung, als Blaupause von NGOs und Social Entrepreneurship schlechthin. Da fällt es wenig ins Gewicht, dass die Story etwas eindimensional aus der Sicht von Hunter, dem PR-Strategen, erzählt ist, der weiß, mit welchen Gegnern man sich die mächtigsten Verbündeten schafft. Und der lieber auf eine wirkungsvolle Aktion verzichtet, anstatt unschöne Bilder zu riskieren.
Richtungsweisend für NGOs ist jedenfalls Hunters Vermächtnis am Ende: Teile die Macht, und gebe jedem Mitglied Raum, seine Ideen zu verwirklichen. Passend dazu weist die Greenpeace-Gruppe im Saal auf die vielen aktuellen Themen hin, bei denen sich ein Engagement lohnt. Von TTIP bis zu Chemikalien in der Textilindustrie: „Das Beste: Bei uns muss niemand auf Schornsteine klettern, er muss noch nicht einmal Mitglied sein. Es reicht, einfach mal bei unserer Ortsgruppe vorbeizuschauen.“
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