Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.580 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Subversiver Anti-Patriotismus: we are scientists
Foto: © Grönland Records

Das Recht auf Spaß

26. April 2018

We Are Scientists und die Fun-Bombe – Popkultur in NRW 05/18

Hach ja, anfangs war das schönster Indierock: erst ein Basslauf, dann die Schrammelgitarre, eifrige Drums auf die zwölf, dazu jungenhaft quäkender Gesang, dann klotzt der Refrain nochmal richtig rein. Nach diesem Rezept strickten we are scientists die besten Songs für so Dinge wie Hand in Hand die Straße runterrennen, Kissenschlacht im Hotelzimmer und den Moment, wo du zur Party losfährst – die pure Feier des jugendlichen Überschwangs.

Seit 2000 gibt es die Band aus Brooklyn und mit ihrem ersten Überalbum namens „With Love and Squalor“ haben Keith Murray und Chris Kain solch großen Erfolg eingefahren, dass sie bis heute im eigenen Schatten stehen. Aber wenn die Jungs eines haben, dann Humor, und der hilft bekanntlich in allen Lebenslagen. Sei es, dass sie im Video zu ihrem ersten und größten Hit „Nobody Move, Nobody Get Hurt" von einem Menschen im Bärenkostüm verfolgt werden, sei es, dass sie bei einigen ihrer Konzerte als ihre eigene Vorband auftraten oder dass sie sich derzeit auf ihrer Website im Stil eines CIA-Berichts auf die „mögliche Bedrohung kultureller Normen“ hin untersuchen. Nicht zu Unrecht: Immerhin wurde ihre Musik im Soundtrack der US-amerikanischen Krimiserie „CSI: New York“ gefeatured, wie popkulturell relevant kann man noch werden?

Auf „Megaplex“, ihrem nunmehr sechsten Album, klingen sie erwachsener, mehr in Richtung Power-Pop, und das hat einen Grund: Das Album wurde produziert von Max Hart, der einige Jahre als Keyboarder für Katy Perry unterwegs war. „Our brilliant work in pop song writing is unsurpassed“, gibt Keith Murray an, und ja, irgendwie sind die Melodien eingängig und hooky, sind die Akkordauflösungen beatleesk, kommt das Ganze sehr geschmeidig rüber. Wohlfühlen heißt in diesem Fall, dass man in jedem Moment den kommenden Ton voraussagen kann. „In the past we’ve used our music to educate, to enlighten, to awaken people to the depth and complexity of moral concerns. This time, we really wanted to drop a fun-bomb. Something to dance or fuck to“, wird Chris Kain zitiert, und das ist nicht nur der typische scientists-Humor. Dieser  keyboardgetriebene Elektro-Pop ist die Katy-Perryisierung des Indierocks, aber hey – eben auch die Befreiung aus dem Zwang, anspruchsvoll und klug sein zu müssen. Perfekt kalkulierte Leichtigkeit macht aus „Megaplex“ das Sommeralbum, von dem wir gar nicht wussten, dass wir drauf warten.

Live sind sie am 30. Mai im Gebäude 9 in Köln zu sehen, zu dessen rotzig-liebevollem Ambiente und postironisch in 80er-Jahre-Klamotten gewandetem Publikum die Band hervorragend passt. Come on, the night is young! Komödiantische Elemente spielen auf der Bühne eine große Rolle und versprechen eine unterhaltsame Show. Und wer das nicht ohne größere Erschütterungen übersteht, kann Hilfe finden – auf der Website der Band gibt es eine Kummerkastenabteilung, wo die Musiker seitenweise Ratschläge für ihre Fans erteilen.

We Are Scientists | Mi 30.5. 20 Uhr | Gebäude 9, Köln | 0221 28 01

Melanie Redlberger

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20

„Die besten Bands müssen nicht von ihrer Kunst leben“
René Regier, Veranstalter des Solinger Cow Club, über den Kulturauftrag – Interview 01/19

Grenzenlos episch
Live gespielte Game-Soundtracks werden zum Megaevent – Popkultur in NRW 11/18

Immer genau dahin wo's wehtut
Selbstfindungsrandale mit Danger Dan und Juse Ju – Popkultur in NRW 09/18

Sich trauen, außerhalb der Reihe die Zukunft zu bauen
Neue Deutsche Welle revisited in Hagen – Popkultur in NRW 08/18

Odyssee im Ruhrgebiet
Weltoffene Konzerte umsonst und draußen – Popkultur in NRW 07/18

Tiefenentspannt in Duisburg
Traumzeit-Festival mit Mogwai, Slowdive und The Great Faults – Popkultur in NRW 06/18

Global denken, lokal tanzen
NRW Kultursekretariate fördern musikalischen Reichtum – Popkultur in NRW 04/18

Das Gegenteil von Coolness
Sängerin Elif taucht uns tief in ihre Liebe ein – Popkultur in NRW 03/18

Lalla:Labor statt La La Land
Tatkräftige Musikförderung an der Ruhr – Popkultur in NRW 01/18

Das Geld liegt auf der Straße
Musikmesse create & connect will dem Nachwuchs zu Erfolg verhelfen – Popkultur in NRW 11/17

Girls in Airports
Zuhause im Zwischenland – Popkultur in NRW 10/17

Musik.

HINWEIS