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Extrabreit Superhelden
Foto: © Extrabreit

Sich trauen, außerhalb der Reihe die Zukunft zu bauen

26. Juli 2018

Neue Deutsche Welle revisited in Hagen – Popkultur in NRW 08/18

Verwundert reibt man sich die Augen: Wie konnte es dazu kommen, dass das kleine Städtchen Hagen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre als die Brutstätte deutscher Musik galt? Hier fuhren Grobschnitt, die Humpe-Schwestern, the Stripes mit Nena sowie Extrabreit erste Erfolge ein, hier pilgerten junge Musikschaffende hin, um einen Hauch des NDW-Glanzes abzubekommen. Ausgerechnet Hagen?

Hüttenschließung, Stellenabbau, Leerstand: Was wegbrach, hinterließ Platz für WGs und alternativen Lebensstil. Nicht nur in den Kneipen gärte die Stimmung. Viele MusikerInnen wurzeln in der politischen Szene dieser Stadt. Zwischen gesellschaftskritischer Liedermacherei einerseits und der selbstverliebten Schwermütigkeit ewiger Rocksolos andererseits fand sich eine Band wie Extrabreit neu inspiriert von Punk und Comic. Sie wollten alles auf den Kopf stellen, frische Luft und neue Lust machen, nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit ironischer Bissigkeit.

Devotionalien und Zeitdokumente versammelt Heike Wahnbaeck, langjährige Weggefährtin und Managerin der Bands Grobschnitt und Extrabreit, in einer dreiwöchigen Ausstellung des Osthaus Museums Hagen. Die Fernuniversität Hagen untersucht soziologisch, wie sich eine solch aktive Musikszene gerade in Hagen entwickeln konnte. Beide Ansätze fließen zusammen mit Interviews in eine 352 Seiten starke Publikation ein. Begleitend finden Konzerte und Partys statt, sowie Gesprächsrunden u.a. mit MusikerInnen der Zeit, mit WDR-Rockpalast-Legende Peter Rüchel, mit Kult-KneipenwirtInnen aus Hagen, und es wird ein Blick geworfen auf die damals in Deutschland neu entstehenden musiktechnischen Berufe, u.a. bei der Talkrunde zu Frauen in der Musikbranche.

Es sind sehr unterschiedliche Wege, auf denen man in Hagen versucht, sich der Vergangenheit zu nähern, lose verbunden darin, einen maximalen Anspruch an das Thema zu richten. Über reine Nostalgie hinaus sucht man nach Wegen, etwas für die Gegenwart und Zukunft Fruchtbares herausziehen. Für die Ausstellungskuratorin Heike Wahnbaeck lag der Zauber der NDW-Dekade in dem Gefühl, endlich etwas verändern zu können. Angesichts starrer politischer Strukturen, einer als Bedrohung empfundenen allgegenwärtigen Polizeipräsenz und kleinbürgerlicher Miefigkeit galt es laut zu sein, frech und dreist, und gerade bei Extrabreit nicht nur mit einem Grinsen auf den Lippen, sondern mit Punk im Herzen.

Die Zeit ist nicht wiederholbar, schon gar nicht im Medium Ausstellung, aber die Liebe bleibt. Die Liebe zur Musik, zu Texten wie „Hurra, hurra, die Schule brennt“. Und der Stolz auf den aufrührerischen Geist, mit dem man angesichts der politischen Lähmung allerorten Knallbonbons mit Konfetti drin in die Luft warf. Explosion statt Depression, Spaßrevolte statt Resignation, so ließe sich die Energie dieser Dekade zusammenfassen. Davon könnten wir auch heute mehr gebrauchen – nicht nur in Hagen.

Komm nach Hagen, werde Pop-Star, mach Dein Glück! | Ausstellungseröffnung: Fr 31.8. 18.30 Uhr; Ausstellung bis 23.9. im Osthaus Museum Hagen | Campusfest der FernUni mit u.a. Extrabreit: Sa 1.9. ab 16 Uhr | www.osthausmuseum.de

Melanie Redlberger

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