Daniel Pongratz alias Danger Dan von der Antilopengang bringt sein erstes Soloalbum raus und der Elefant ist mitten im Raum mit der Frage: Wie wird man erwachsen, wenn man doch eigentlich pubertär bleiben will? So viel Spieltrieb und goofy Humor auf der einen Seite, und zugleich so viel Frust und Furor auf der anderen… Danger Dan zieht's durch: Ich lasse mich nicht anpassen, ich behalte meine Wut, und ihr hört sie euch gefälligst an. Und wenn er über Rape Culture und den Gender Pay Gap rappt, wenn er fragt, wie er seiner Tochter all das bloß erklären soll, und dazu dann im Video neben tanzenden Models an einem fetten Auto posiert, dann ist Mister Danger genau dort, wo er sich offenkundig am heimischten fühlt: im Zwiespalt.
„Ich bin dumm und auch ein Lauch“, rappt Dan, zugleich betitelt er sein selbst produziertes Album nach Adornos „Minima Moralia“. Aus Theodor W.'s „Reflexionen aus einem beschädigten Leben“ werden bei Dan „Reflexionen aus einem beschönigten Leben“. Aber er beschönigt hier nichts, versteckt sich auch nicht hinter Ironie, sondern hadert öffentlich zuallererst mit sich selbst. Und dann erst mit dem deutschen Rap, dem er Substanzlosigkeit, Neoliberalismus und Frauenfeindlichkeit vorwirft, zudem mit den Systemzwängen im Porzellanladen und nicht zuletzt mit den Prinzen, deren letzte zehn Jahre er im Duett mit Sebastian Krumbiegel himself zur Tragödie erklärt. Den großen Abriss liefern dann Textzeilen wie „Wenn du nicht ausbrechen kannst, dann piss in den Käfig“, was sich live garantiert wunderbar zum Mitbrüllen eignet. Das Erstaunlichste an Danger Dans Soloalbum ist, dass es bei all den kritischen Tönen immens Energie und gute Laune liefert.
Ein weiterer Grund sich jenseits von deutschem Gangster- und Straßenrap umzuschauen, nennt sich Juse Ju und wird ebenfalls u.a. in Münster zu Gast sein. Justus Hütter ist Journalist, Radiomoderator, Freestylemeister, Battlerapper und passionierter Meinungsinhaber. Er hält die Fahne des Underground-Rap hoch: „In einem Land, in dem die erfolgreichsten TV-Sendungen Bauer sucht Frau und Dschungelcamp sind, was heißt denn da kommerzieller Erfolg?“, fragte er im Splash Mag-Interview. So einfach macht er es sich nicht immer. Seine Themen sind Lügengeschichten und echte Siege, Provinzsehnsucht und Heimatgefühl, Minderwertigkeitskomplexe und Verschwörungstheorien, narzisstische Ladies und Frauenhasser, Emotionslosigkeit und rotgeweinte Augen, Luxusgüter und Skateboardtricks, dumme Rapper und falsche Männlichkeitskonzepte. Und immer wieder der schonungslose Seelenstriptease an der Tanzstange des Weltschmerzes. Wenn schon alles Scheiße ist, braucht man gute Freunde – in Juses Fall sind das Fatoni, Edgar Wasser und natürlich Danger Dan – und voilà, da schließt sich der Kreis. Beatmäßig ist Juse Ju noch ein ganzes Stück bissiger unterwegs und bietet damit ebenfalls beste Aussichten für ein heftig gutes Konzerterlebnis.
Danger Dan: 26.9. 20.30 Uhr: Gleis 22, Münster | 27.9. 19 Uhr: Luxor, Köln
Juse Ju: 27.9. 20 Uhr: Drucklufthaus, Oberhausen | 28.9. 20 Uhr: CBE, Köln | Sa 29.9. 20.30 Uhr: Gleis 22, Münster
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
All die Frauen und Prince
Zwei Musikbücher widmen sich Sex, Körper und Gender im Rock ‚n‘ Roll – Popkultur 06/20
„Die besten Bands müssen nicht von ihrer Kunst leben“
René Regier, Veranstalter des Solinger Cow Club, über den Kulturauftrag – Interview 01/19
Grenzenlos episch
Live gespielte Game-Soundtracks werden zum Megaevent – Popkultur in NRW 11/18
Sich trauen, außerhalb der Reihe die Zukunft zu bauen
Neue Deutsche Welle revisited in Hagen – Popkultur in NRW 08/18
Odyssee im Ruhrgebiet
Weltoffene Konzerte umsonst und draußen – Popkultur in NRW 07/18
Tiefenentspannt in Duisburg
Traumzeit-Festival mit Mogwai, Slowdive und The Great Faults – Popkultur in NRW 06/18
Das Recht auf Spaß
We Are Scientists und die Fun-Bombe – Popkultur in NRW 05/18
Global denken, lokal tanzen
NRW Kultursekretariate fördern musikalischen Reichtum – Popkultur in NRW 04/18
Das Gegenteil von Coolness
Sängerin Elif taucht uns tief in ihre Liebe ein – Popkultur in NRW 03/18
Lalla:Labor statt La La Land
Tatkräftige Musikförderung an der Ruhr – Popkultur in NRW 01/18
Das Geld liegt auf der Straße
Musikmesse create & connect will dem Nachwuchs zu Erfolg verhelfen – Popkultur in NRW 11/17
Girls in Airports
Zuhause im Zwischenland – Popkultur in NRW 10/17
Tolerante Szene
An diesem Abend gehen Kölner Jazzbühnen fremd – Improvisierte Musik in NRW 11/24
Nordisches Spitzenprodukt
Rymden am Theater Krefeld – Improvisierte Musik in NRW 10/24
Experimentell und innovativ
3. New Colours Festival in Gelsenkirchen – Improvisierte Musik in NRW 09/24
Immer eine Uraufführung
4. Cologne Jazzweek – Improvisierte Musik in NRW 08/24
Ein Abend für den Duke
Jason Moran und die hr-Bigband in Duisburg – Improvisierte Musik in NRW 07/24
Musikalische Eröffnung der EM
Bundesjazzorchester mit Tom Gaebel in Dortmund und Köln – Improvisierte Musik in NRW 06/24
Verschiedene Welten
Drei Trompeter besuchen das Ruhrgebiet – Improvisierte Musik in NRW 05/24
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Pure Lust an der Musik
Das Thomas Quasthoff Quartett im Konzerthaus Dortmund – Improvisierte Musik in NRW 03/24
Kleinstes Orchester der Welt
„Solace“ in der Friedenskirche Ratingen – Improvisierte Musik in NRW 02/24
Mit zwei Krachern ins neue Jahr
Jesse Davis Quartet und European All Stars in Köln – Improvisierte Musik in NRW 01/24
Sturmhaube und Ballonmütze
Gregory Porter in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 12/23
Balladen für den Herbst
Caris Hermes Quintett in Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 11/23